Jeff Sessions Das Ende des liberalen Rechtsstaats

Als erster aus Trumps Team steht Jeff Sessions dem US-Senat Rede und Antwort: Der umstrittene Kandidat für das Amt des US-Justizministers gibt sich fachkundig – und überrascht mit völligem Unwissen in einer Sache.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Jeff Sessions kurz vor seiner Vereidigung zur Anhörung im US-Senat: Der Kandidat für das Amt des US-Justizministers muss sich am Mittwoch erneut den Fragen der Parlamentarier stellen. Quelle: Reuters

Die US-Republikaner versuchen mit allen Mitteln, die Wunschkandidaten des designierten Präsidenten Donald Trump vom Senat absegnen zu lassen. Eine Anhörung soll die andere jagen, zum Teil sogar parallel laufen. Den Anfang macht Jeff Sessions, den Trump zum Justizminister erkoren hat.

Er hat kein Verständnis für die Homo-Ehe und fragt sich, warum in den USA geborene Kinder automatisch Staatsbürger werden müssen. Selbst für republikanische Verhältnisse ist Sessions erzkonservativ.

Drei Aussagen des umstrittenen Politikers und Juristen sollten Kritiker beruhigen: Er werde kein pauschales Einwanderungsverbot für Muslime unterstützen, sagt Sessions in der Anhörung am Dienstag.

Zweitens werde er sich bei möglichen Ermittlungen gegen Hillary Clinton wegen Befangenheit aus dem Verfahren vollständig zurückziehen. Und Waterboarding ist für Jeff Sessions „völlig unmöglich und illegal“. Donald Trump dagegen hatte Waterboarding als eine Verhörtechnik dargestellt, seinen Wählern ein Einwanderungsverbot für Muslime versprochen sowie angekündigt, Clinton ins Gefängnis zu bringen.

Der US-Senat versucht nun herauszufinden, ob Sessions tatsächlich der unnachgiebige Rechtsverfolger ist, der er zu sein vorgibt, oder doch ein Protegé von Donald Trump. Eines verbindet die beiden: Sie waren Zeit ihres Lebens Außenseiter.

Trump kam überhaupt nie ins Washingtoner Establishment hinein. Sessions war zwar am rechten Ort, aber niemand in Washington wollte etwas mit ihm zu tun haben. Wurde ein Ausschussposten frei, bekam ihn ein anderer. Zwanzig Jahre lang blieb Sessions als einer der leisen Vertreter im US-Senat immer im Hintergrund. Nur einmal ging er aus sich heraus und unterstützte den Kandidaten Donald Trump. Jener gibt ihm jetzt die Chance seines Lebens.


„Davon habe ich keine Ahnung“

In dem zum Bersten gefüllten Saal zeigt Sessions, was ihn von Trump unterscheidet. Anders als der zukünftige US-Präsident ist er kein schroffes Raubein, er poltert nicht los, provoziert nicht. Der 70-Jährige spricht ruhig und beherrscht. Doch so sanft wie er klingt, so hart ist er in der Sache.

Keinerlei Verhandlungsbereitschaft zeigt Sessions etwa bei der Einwanderungspolitik: Immigranten nähmen Amerikanern die Arbeitsplätze weg, findet er. Dennoch weicht er der Frage aus, was mit den 800.000 Menschen geschehen solle, die als Kinder ungefragt von ihren Eltern über die Grenze gebracht wurden und unter Obama eine zweijährige Amnestie und Schutz vor Abschiebung bekamen. Die Regierung müsse „ein Einwanderungsgesetz beschließen”, sagt Sessions lediglich.

Ein generelles Einwanderungsverbot für Muslime, ein Lieblingsthema von Trump, lehne er kategorisch ab, sagte der ehemalige Staatsanwalt bei der Anhörung. Nur ein selektives Einwanderungsverbot für Menschen aus „Terrorstaaten“ halte er für denkbar. Das ist in den USA allerdings längst juristisch möglich.

Die Marke Donald Trump

Beim Thema „Waterboarding”, einer als Folter eingestuften Verhörmethode, trennt er sich ebenfalls von der Linie seines Chefs: „Das ist absolut unmöglich und illegal”, sagt Sessions. Trump fordert hingegen die Wiedereinführung.

Aber ist Sessions wirklich so unabhängig vom kommenden Präsidenten und nur dem Recht verpflichtet? US-Senator Richard Blumenthal will bei der Anhörung von dem Kandidaten wissen, wie er zu möglichen Interessenskonflikten zwischen der Deutschen Bank und Trump stehe. „Davon habe ich keine Ahnung. Da bin ich völlig uninformiert“, räumt Sessions ein.

Die Deutsche Bank ist der führende Geldgeber bei Trumps Geschäften – und steht im Visier der US-Behörden. Erst kürzlich schloss die Abteilung, die auch Trump Hunderte Millionen Dollar geliehen hatte, einen Milliardenvergleich mit dem Justizministerium. Die Strafzahlung wurde dabei von rund 14 auf gut sieben Milliarden Dollar gesenkt.

„Schlanker Rechtsstaat“ – aber nicht für Kiffer



Fragen nach einem Sonderermittler zu der sogenannten E-Mail-Affäre um Hillary Clinton und seine Meinung zu einer Strafverfolgung federt Sessions hingegen gekonnt ab: Hier werde er sich komplett zurückziehen. Im Wahlkampf hatte er sich noch negativ zu Clinton geäußert. Jetzt sagt er: „Politische Kämpfe dürfen niemals juristische Kämpfe werden.”

Sessions zeigt sich als jemand, der sich an Gesetze hält und das auch von anderen verlangt. Doch seine weiße Weste hat dunkle Flecken. Der Senator aus dem für den Ku-Klux-Klan berüchtigten Alabama wurde wegen rassistischer Aussagen schon einmal als Bundesrichter abgelehnt. Das ficht ihn auch heute nicht an. Die damaligen Vorwürfe seien allesamt falsch, betont er am Dienstag, während Demonstranten mit Ku-Klux-Klan-Hauben aus dem Saal geführt werden. Keine Einsicht, kein „Ich habe mich geändert”.

Seine Botschaft bringt Sessions dabei klar herüber: Es gibt Gesetze in den USA und ich werde sie emotionslos durchsetzen. Egal, ob ich sie mag oder nicht. Er gibt den einsamen Sheriff auf der staubigen Landstraße im Wilden Westen, der sich entschlossen den Desperados in den Weg stellt. Der Law-and-Order-Mann hatte schon angesichts von Massenprotesten gegen Polizeigewalt vor „überzogener Kritik an der Polizei“ gewarnt.

Das bleibt von Obamas Amtszeit
Barack Obama steckt die Hülle auf seinen Stift, nachdem er im Oval Office die Anordnung zur Schließung des Gefängnisses in Guantanamo Bay unterzeichnet hat. Quelle: AP
Sein Versprechen, das Lager, das mit Folter und Unrecht in Verbindung gebracht wird, binnen eines Jahres zu schließen, konnte Obama nicht einhalten Quelle: AP
Obamacare: Weniger als neun Prozent aller Amerikaner sind derzeit noch ohne Gesundheitsversorgung. Quelle: REUTERS
Obamacare in Gefahr: Donald Trump will einen Teil abschaffen. Quelle: REUTERS
Mit einer Arbeitslosenquote von 4,7 Prozent übergibt Obama die größte Volkswirtschaft der Welt an Trump. Quelle: dpa
Rund 25.000 US-Soldaten waren im Afghanistan-Einsatz, als Obama Präsident wurde. Quelle: REUTERS
Als Obama 2009 antrat, hatten Homosexuelle nur in ganz wenigen Staaten Rechtssicherheit. Quelle: AP

Nicht an linke Kritiker, sondern an moderate Republikaner richtet sich seine Botschaft. Sie sollen sicher sein, dass die Zeiten des liberalen Obama-Rechtsstaats vorbei sind. Und Trump braucht jemanden in seinem Team, der diese Gruppe anspricht – auch wenn Sessions betont, er werde immer seine Unabhängigkeit zu Trump wahren.

Auf die Frage des demokratischen Senators Patrick Leahy, ob das Anfassen von weiblichen Genitalien ohne Zustimmung sexuelle Belästigung sei, antwortete er mit einem klaren „Ja”. Im Wahlkampf allerdings hatte er noch Zweifel daran geäußert, als Tonaufnahmen veröffentlicht wurden, in denen Trump sich dessen gebrüstet hatte.

Kritiker beäugen auch Sessions‘ Nähe zum Christentum skeptisch. Die Trennung von Staat und Kirche gehe ihm etwas zu weit, hat er früher schon mal betont. Er sympathisiert offenbar mit der Idee einiger Bundesstaaten, die Gesetze zur Homo-Ehe, die ihnen durch Obama aufgezwungen wurden, durch eigene “Gesetze zur Religionsfreiheit” wieder auszuhebeln. So sagt Sessions am Dienstag, wenn die einzelnen Bundesstaaten ihre Aufgaben erfüllten, gebe es keinen Grund, warum Washington Bundesrecht anwenden müsse.

Ohnehin findet er einen „schlanken Rechtsstaat“ unausweichlich. Allerdings will er nicht ausschließen, dass die Bundespolizei Drogenhändler und -konsumenten in denjenigen Staaten verhaften lässt, in denen Marihuana legalisiert ist. So weit geht sein schlanker Rechtsstaat dann wohl doch nicht.

Die Befragung von Jeff Sessions wird am Mittwoch weitergehen. Ein Scheitern seiner Nominierung halten Beobachter allerdings trotz einiger Ungereimtheiten für unwahrscheinlich. Schließlich halten die Republikaner die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus. Und keiner der moderaten republikanischen Parlamentarier hat zu erkennen gegeben, dass er den wohl radikalsten und umstrittensten Kandidaten für die neue Regierung ablehnen wird.

Dazu bräuchte es eine dramatische neue Erkenntnis über Sessions. Die ist aber nicht in Sicht. Und wenn Sessions durchkommt, ist der Damm gebrochen. Für die anderen werden die Anhörungen dann nur noch Formsache sein.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%