Katalonien U-Haft, Asyl, Auslieferung – die Fakten zum Fall Puigdemont

Der spanische Separatistenführer Carles Puigdemont wurde in Deutschland festgenommen. Warum eigentlich? Ein Überblick.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die wichtigsten Fakten zu Carles Puigdemonts Verhaftung Quelle: dpa

An der Grenze zu Dänemark hat die deutsche Polizei den spanischen Separatistenführer Carles Puigdemont festgenommen. Gegen ihn liegt ein europäischer Haftbefehlt vor. Nun müssen die Behörden entscheiden, ob sie ihn nach Spanien ausliefern. Dort drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft.

Was wird Carles Puigdemont vorgeworfen?

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat am vergangenen Freitag ein Strafverfahren gegen den Separatistenführer Carles Puigdemont und weitere zwölf Regionalpolitiker mit dem Vorwurf der Rebellion, Veruntreuung oder Gehorsamsverweigerung eröffnet. Gegen sieben Separatisten, die sich ins Ausland abgesetzt hatten, wurden neue Haftbefehle erlassen, darunter auch gegen Puigdemont.

Ihm drohen in der Heimat bis zu 30 Jahre Haft. Der 55-Jährige hatte im Oktober 2017 die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ausgerufen und damit gegen die Verfassung verstoßen.

Madrid hatte zuvor das Unabhängigkeitsreferendum sowie einem Beschluss zur Abspaltung Kataloniens von Spanien für illegal erklärt. Puigdemont wurde von der spanischen Zentralregierung als Regionalpräsident abgesetzt. Unmittelbar nach seiner Amtsenthebung setzte er sich nach Brüssel ab, um der spanischen Justiz zu entkommen.

Schon damals hatte Spanien einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont beantragt. Aber noch während in Belgien die Anhörungen liefen, zog das Oberste Gericht in Spanien diesen Anfang Dezember überraschend zurück. In Belgien und anderen Ländern konnte er sich daher frei bewegen. Der neue Antrag folgte nach spanischen Medienberichten am Freitagabend.

Wie wurde er festgenommen?

Puigdemont ist in Deutschland verhaftet worden. Nach Angaben der Polizei wurde der ehemalige Regionalpräsident am Sonntagmittag bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt. Grundlage sei ein europäischer Haftbefehl, erklärte das Landespolizeiamt in Kiel.

Nach „Focus“-Informationen soll der spanische Nachrichtendienst Puigdemont die ganze Zeit im Visier gehabt haben. Als er sich von Finnland in Richtung Deutschland aufgemacht habe, hätten die Spanier das Bundeskriminalamt informiert. Dieses habe dann den entscheidenden Hinweis an die Polizei in Schleswig-Holstein gegeben.

Was erwartet Puigdemont an diesem Montag?

Heute soll der 55-Jährige zunächst dem zuständigen Amtsgericht zur Identitätsfeststellung vorgeführt werden. Außerdem muss das Gericht dem 55-Jährigen in einer sogenannten Festhalteanordnung eröffnen, warum er überhaupt festgehalten wird. Theoretisch bestehe auch die Möglichkeit, dass das Amtsgericht anschließend entscheidet, Puigdemont auf freien Fuß zu setzen. Dies sei aber nicht die Regel, sagte eine Gerichtssprecherin.

Anschließend erhält die Generalstaatsanwaltschaft die Akten und prüft, ob die Voraussetzungen für eine Auslieferung nach Spanien vorliegen. Über die Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft zu nehmen ist, entscheidet dann das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht.

Nach Ansicht von Puigdemonts Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas könnte der 55-Jährige erst einmal in Untersuchungshaft bleiben.

Kommt ein Asylantrag in Betracht?

Laut seinem Anwalt will Puigdemont kein politisches Asyl in der Bundesrepublik beantragen. Der 55-Jährige habe keine entsprechenden Pläne, sagte Jaume Alonso-Cuevillas am Montag im katalanischen Rundfunk.

Auf welcher rechtlichen Grundlage könnte Puigdemont ausgeliefert werden?

Bei dem spanischen Haftbefehl geht es konkret um das Ersuchen einer Justizbehörde eines EU-Landes, eine Person in einem anderen Land festzunehmen und diese Person zwecks Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zu übergeben. Der Europäische Haftbefehl beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen. Grundlage ist ein EU-Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2002.

Ein Europäischer Haftbefehl ist eine Eilsache. Wird ein Gesuchter festgenommen, soll eine Entscheidung über die Vollstreckung innerhalb von 10 bis 60 Tagen erfolgen – je nachdem ob der Betroffene seiner Auslieferung zustimmt oder nicht.

Das Land, in dem die gesuchte Person festgenommen wird, muss sie innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme an das Land übergeben, das den Haftbefehl gestellt hat. Stimmt die Person ihrer Übergabe zu, so muss sogar innerhalb von zehn Tagen über die Übergabe entschieden werden.

Für 32 Kategorien schwerer Straftaten ist es nicht mehr erforderlich, dass eine Tat in beiden Ländern als Straftatbestand eingestuft ist. Es reicht aus, dass die Tat im Land des Haftbefehls mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren belegt werden kann.

Ein Land kann die Übergabe der gesuchten Person nur schwer ablehnen. Ein zwingender Grund wäre, wenn die Person wegen derselben Straftat bereits verurteilt wurde oder es sich um Minderjährige handelt. Sogenannte „fakultative“ Gründe können sein, wenn es sich um eine Straftat handelt, die nicht in beiden Ländern strafbar ist und die nicht zum Katalog der 32 genannten schweren Straftaten gehört. Auch ein laufendes Strafverfahren im vollstreckenden Land oder eine Verjährung kann dagegen sprechen.

Wie haben die Bürger in Katalonien reagiert?

Nach der Festnahme von Carles Puigdemont rief die einflussreiche Separatistenorganisation ANC die Menschen in Katalonien auf die Straße. Allein in Barcelona sollen am Sonntag mehr als 50.000 Menschen demonstriert haben, heißt es in Berichten der Sicherheitskräfte. Viele Demonstranten zeigten kleine Transparente mit der deutschen Aufschrift: „Befreit unseren Präsidenten. Seid nicht Mithelfer!“

Einige Personen gerieten mit der Polizei aneinander. Die setzten Schlagstöcke ein, um die wütende Menge davon abzuhalten, zum Büro der spanischen Regierungsvertretung zu gelangen. Vier Personen wurden festgenommen. Der Protestmarsch führte von der Vertretung der Europäischen Kommission zum deutschen Konsulat in Barcelona. Insgesamt sind mindestens Hundert Menschen verletzt worden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%