Klage gegen Zölle Die EU steckt im Handelsstreit mit Trump in einem Dilemma

Eigentlich will die EU vor dem WTO gegen die kommenden US-Strafzölle klagen. Zugleich wollen die Europäer Trump nicht verärgern.

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Würde die EU nicht wie angekündigt Beschwerde beim Genfer Schiedsgericht einreichen, würde sie die eigene Glaubwürdigkeit schwächen. Quelle: Horst Wagner

Ihre direkten Gesprächspartner hat Cecilia Malmström offenbar überzeugen können, immerhin. „Wir  gehen davon aus, dass Minister Ross empfehlen wird, die EU als Ganzes auszunehmen“, sagte die EU-Handelskommissarin am Vormittag im Europaparlament. Aber, schränkte sie sogleich ein: „Es ist der Präsident, der entscheidet“.

Malmström war erst in der Nacht aus Washington zurückgekehrt. Dort hatte sie bei US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross und dem Handelsbeauftragten Robert Lighthizer darauf gedrungen, dass die EU-Staaten von den Schutzzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte ausgenommen werden, die US-Präsident Donald Trump vor zwei Wochen angekündigt hatte und die am Freitag in Kraft treten sollen.

In Washington hat die Schwedin schon mehr erreicht, als viele in Europa noch zu hoffen gewagt hatten: Trumps wichtigste Berater Ross und Lighthizer sprechen sich dafür aus, die EU zu verschonen – wenn auch wohl zunächst nur zeitlich begrenzt.

Nun hängt alles davon ab, ob der Präsident ihrem Rat folgt. Trump wird voraussichtlich am Abend deutscher Zeit eine Erklärung dazu abgeben – und wohl zugleich heftige Strafmaßnahmen gegen China ankündigen.

Die Unsicherheit in Brüssel ist groß, wo sich heute die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem regulären Gipfel versammeln. Schließlich hat sich Trump schon häufig über die Empfehlungen seiner Berater hinweggesetzt. In den vergangenen Wochen hatte er die Europäer mehrfach heftig kritisiert – und gerade Deutschlands Handelspraktiken als unfair attackiert. Zudem verknüpfte er die Zollfragen mit seiner Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben der Nato-Partner.  

Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen aus den 27 anderen Mitgliedsstaaten werden daher die Äußerungen Trumps abwarten, ehe sie ihre Position in den Gipfelschlussfolgerungen zu Papier bringen, heißt es in Brüssel.

Der letzte Entwurf der Abschlusserklärung enthält dazu weiterhin eine Leerstelle. Man wolle nicht riskieren, durch möglicherweise unnötig scharfe Formulierungen Trump noch zu provozieren, sagt ein EU-Diplomat.

EU schließt Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen aus

Denn die EU muss so oder so noch in durchaus heiklen Fragen Position beziehen. Noch offen ist etwa, ob die EU-Staaten auch dann eine Beschwerde anderer Länder gegen die USA vor der Welthandelsorganisation (WTO) mittragen würde, wenn Trump sie zunächst von der Liste der Stahlzölle streichen sollte. Eigentlich führt daran für die Europäer kein Weg vorbei, schließlich betrachtet sie die Entscheidung Trumps als Verstoß gegen die Regeln der WTO.

Würden die EU nicht wie angekündigt selbst Beschwerde beim Genfer Schiedsgericht einreichen oder andere Länder dabei unterstützen, würde sie nach Einschätzung vieler Beobachter die eigene Glaubwürdigkeit und die Autorität der WTO schwächen.

Schließt sich die EU einer Klage aber an, dürfte sie damit die US-Regierung verärgern – und könnte damit riskieren, doch wieder auf der Liste der Stahlzölle zu landen. Die als Vergeltung angedrohten EU-Zölle auf US-Produkte dürften hingegen vorerst vom Tisch sein, sollte Trump die Europäer verschonen.

Weitgehend unklar ist aber, wie die weiteren Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington ablaufen könnten. Beide Seiten haben sich bislang lediglich vage auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe geeinigt, die strittige Handelsthemen und offenbar auch Investmentfragen diskutieren soll.

Dabei dürfte es unter anderem um gemeinsame Maßnahmen gegen die massiven Überkapazitäten in der chinesischen Stahlindustrie und anderen Branchen gehen, die mit Dumpingangeboten auf dem Weltmarkt für Verwerfungen sorgen.

Eine Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA schloss Malmström zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aus. Dafür hatte sich unter anderem der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, ausgesprochen.

Auch in einigen Mitgliedsstaaten gibt es Sympathie für neue Gespräche mit den USA über den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Allerdings, so betonte ein Vertreter der Bundesregierung mit Blick auf die drohenden Stahlzölle, dürfe dies „nicht mit der Pistole auf der Brust geschehen“.

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