Midterms Wirtschaft? Findet Trump langweilig.

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„Ich kenne die Bedeutung amerikanischer Freiheit“

Auch in Florida sah es lange gut aus. Schließlich hatte Trump den Sunshine State bei den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren knapp gewonnen. Der demokratische Amtsinhaber Bill Nelson ist zudem nicht gerade als Übercharismatiker bekannt. Auf dem Papier spricht also fast alles für Gouverneur Scott. Und doch könnte die Trump-Partei diesen wichtigen Sieg im Südosten der USA verspielen.

Scott will sich mit diesem Zustand nicht abfinden. Im Wahlkampf setzt er offensiv auf seine Wirtschaftsbilanz. Stolz rechnet er seinen rund 200 Zuhörern in der Werkshalle den Zuwachs an Arbeitsplätzen während seiner Amtszeit vor, verspricht Steuersenkungen und ein positives Wirtschaftsklima.

„Ich kenne die Bedeutung amerikanischer Freiheit“, ruft er. Auch habe er selbst früher ein Unternehmen geführt. Hier, im Industriegebiet vor Miami, kommt diese Botschaft an. Anhänger halten Plakate mit dem Slogan „Let’s go to work“ in die Höhe. Doch dass Scott mit diesem Ansatz tatsächlich gegen das Megaphon seines Präsidenten ankommt, ist längst nicht ausgemacht. Damit steht ein eigentlich schon eingepreister Wahlsieg für die Republikaner auf der Kippe.

Die Konsequenzen könnten enorm sein – auch mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl. Auf kaum einen anderen Bundesstaat schauen politische Beobachter so gespannt wie auf Florida. Besonders war der eigenwilligste aller Swing States schon immer. Und auch heute wird jede Regung im Bundesstaat mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt.

Floridas Bedeutung geht vor allem auf seine Bevölkerung zurück. Die Einwohnerzahl wächst seit Jahren. Hier hat sich ein ganz besonderer Wählermix angesiedelt. Der Norden ist traditionell konservativ geprägt. Weiter im Süden, um Miami herum, haben hingegen die Liberalen das Sagen. Doch Florida ist nicht statisch. Der Zuzug von außen verändert die Wählerschaft ständig – und das nicht immer berechenbar.

Die Lage ganz im Südosten der USA macht Florida zum bevorzugten Ziel für amerikanische Staatsbürger aus Puerto Rico, für Flüchtlinge aus Kuba und für Arbeitsmigranten aus Mittelamerika. Gleichzeitig zieht das gute Klima Rentner etwa aus dem Mittleren Westen an, die ihren Ruhestand in der Sonne genießen wollen.

Diese Mischung macht den Staat so interessant. Trends und Entwicklungen, die später die ganzen USA ergreifen, sind hier früher absehbar. Als Ex-Präsident Bill Clinton am Wahlabend 2016 erfuhr, dass seine Frau Hillary den Sunshine State wohl verlieren würde, schrieb er die Wahl bereits ab – Stunden bevor die Niederlage im Mittleren Westen besiegelt wurde.

Um Scotts Nachfolge im Gouverneursamt wurde in den vergangenen Wochen ebenfalls ein heftiger Wahlkampf ausgetragen. Auf der einen Seite steht der Republikaner Ron DeSantis, ein junger Kongressabgeordneter, der sich ganz der Trump-Agenda verschrieben hat. Ein Wahlspott zeigte ihn dabei, wie er seiner Tochter zum Einschlafen Trumps Bestseller „The Art of the Deal“ vorliest und mit seinen Kindern aus Bauklötzen die vermeintliche Grenzmauer zu Mexiko errichtet.

Gegen ihn tritt Andrew Gillum an, der Bürgermeister von Tallahassee. Auch er ist jung, doch da enden die Gemeinsamkeiten mit DeSantis. Der Afroamerikaner steht den demokratischen Sozialisten um Bernie Sanders nah. Seine Kandidatur versteht er als explizite Zurückweisung von Trumps Politik. Auch diese Wahl dürfte knapp ausgehen, wenngleich Umfragen Gillum leicht vorne sehen. Daran änderte sich auch nichts, als er mit einem Korruptionsfall in Tallahassee in Verbindung gebracht wurde.

Gewinnt Gillum tatsächlich, dürfte das auch die Hoffnung der Demokraten erhöhen, Florida bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder blau einzufärben. „Er wird dafür sorgen, dass mehr Menschen wählen können. Und wenn mehr Menschen wählen, gewinnen Demokraten“, sagt Steve Simeonidis, führendes Mitglied der Young Democrats im Bezirk Miami-Dade.

Auch bei den Midterms wird entscheiden, welche Seite ihre Basis an die Urnen bringt. Letzte Umfragen zeigen, dass Wähler im ganzen Land ungewöhnlich motiviert sind, an der Zwischenwahl teilzunehmen – vor allem Demokraten, die Midterms sonst traditionell gerne aussitzen, aber diesmal wegen ihrer Abneigung gegen den Präsidenten ein Zeichen setzen wollen.

Dass das für Kandidaten wie ihn zu einem Problem werden kann, weiß auch Gouverneur Scott. „Geht auf jeden Fall zur Wahl und nehmt eure Freunde und Familie mit“, sagt er zum Ende seiner Rede in der Fabrikhalle. „Keine Wahl hier in Florida sollte knapp ausgehen.“

Zumindest dafür dürfte es längst zu spät sein.

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