Nach weltweiter Kritik Türkei stellt Gesetzentwurf zur Kinderehe zurück

Der Entwurf hatte international Entsetzen ausgelöst: Die türkische Regierung zieht ein Gesetz zu Sexualstraftaten an Minderjährigen zurück. Derweil geht Präsident Erdogan weiter gegen seine Gegner vor.

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Der türkische Staatspräsident geht weiter gegen mutmaßliche Putsch-Unterstützer vor. Bei einem umstrittenen Gesetz zu Sexualstraftaten an Minderjährigen lenkt Erdogans Partei dagegen ein. Quelle: AP

Nach heftigen Protesten wird das von der Regierungspartei AKP in der Türkei geplante Gesetz zu Sexualstraftaten an Minderjährigen zunächst zurückgestellt. Der Entwurf werde zurück in die zuständige Kommission überwiesen, sagte der Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim am Dienstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Istanbul. Zusammen mit der Opposition im Parlament und mit anderen gesellschaftlichen Gruppen solle der Entwurf weiterentwickelt werden.

Über das Gesetzesvorhaben sollte ursprünglich am Dienstag im Parlament abgestimmt werden. Kritiker hatten bemängelt, dass das Gesetz in bestimmten Fällen zu Straffreiheit bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen hätte führen können. Der Entwurf hatte vorgesehen, dass die Strafe ausgesetzt werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet und der sexuelle Kontakt ohne Zwang und Gewalt stattgefunden hatte.

Schlüsselstaat Türkei

Keinen Aufschub gewährt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan dagegen seinen Kritikern: Per Notstandsdekret hat er fast 10 000 weitere Angehörige der Sicherheitskräfte aus dem Dienst entlassen. Erneut werden außerdem zahlreiche Organisationen geschlossen, darunter 375 Vereine, 18 Stiftungen und ein Gesundheitszentrum. Der Grund sind stets angebliche Verbindungen zu Terrororganisationen. In den Ministerien kommt es ebenfalls zu weiteren Massenentlassungen. Auch gegen Medien geht die Regierung mit dem Dekret weiter vor: Sieben Regionalzeitungen und ein lokaler Radiosender müssen den Betrieb einstellen.

Seit Verhängung des Ausnahmezustands in Folge des Putschversuches Mitte Juli kann Erdogan per Dekret regieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und gelten ab ihrer Veröffentlichung, das Parlament muss sie nur nachträglich bestätigen. Der bereits einmal verlängerte Notstand gilt mindestens bis Mitte Januar.

Die entlassenen Staatsbediensteten werden in Anhängen zu dem neuen Dekret erneut namentlich benannt. Diese Praxis ist hoch umstritten, da die Betroffenen damit öffentlich an den Pranger gestellt werden, ohne jemals von einem Gericht verurteilt worden zu sein.

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