Ölpreis „Der Opec-Beschluss wird verpuffen“

Manuel Quevedo, Venezuelas Ölminister, Prinz Abdulaziz bin Salman Al-Saud, Saudi-Arabiens Energieminister und Alexander Novak, russischer Energieminister. Quelle: REUTERS

Ölexperte Eugen Weinberg über die jüngsten Förderkürzungen, den Kampf zwischen Opec und US-Frackingindustrie um die Vorherrschaft am Ölmarkt und mit welchem Ölpreis er für 2020 rechnet.

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Eugen Weinberg ist Chef-Rohstoffanalyst der Commerzbank und einer der führenden Rohstoffexperten in Deutschland.

WirtschaftsWoche: Herr Weinberg, von heute an fahren die Opec und zehn weitere Ölförderstaaten ihre Gesamtförderung um zusätzliche 500.000 Barrel am Tag zurück. Müssen wir uns auf steigende Ölpreise einstellen?
Eugen Weinberg: Ja – aber nur kurzfristig. Vorübergehend kann der Ölpreis über die 65-Dollar-Marke steigen, doch ich glaube nicht, dass die Beschlüsse des Opec-Plus-Bündnisses eine nachhaltige Wirkung haben. Sie werden verpuffen.

Wieso? Immerhin sind auch große Nicht-Opec-Staaten wie Russland mit im Boot.
Ja, aber es wird sehr schwer, das Abkommen in dieser heterogenen Gruppe in der Praxis durchzusetzen. Der aktuelle Kürzungsbeschluss gilt ohnehin nur bis März, dann will man sich erneut zusammensetzen. Einige Länder wie Libyen sind zudem von den Produktionskürzungen ausgenommen. Gerade im ersten Halbjahr 2020 droht dem Markt ein Überangebot, was den Ölpreis drücken wird. Entscheidend wird nun sein, wie sich Saudi-Arabien verhält. Das Land ist in einer Zwickmühle.

Rohstoffe: Der Ölpreis könnte kräftig steigen Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Inwiefern?
Ein Ölpreis von 60 Dollar ist für die Saudis zu wenig. Das Land braucht einen Preis von mindestens 80 Dollar, um seine Staatsausgaben finanzieren zu können. Auch der Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Saudi-Aramco spielt eine Rolle. Einerseits schafft ein höherer Preis ein besseres Umfeld für den Börsengang. Saudi-Arabien wird seine Förderung daher womöglich noch stärker als vereinbart kürzen, um die Preise zu stabilisieren. Auf der anderen Seite geht es nicht um den Preis, sondern auch um die Menge. Die künftigen Aktionäre werden nicht begeistert sein, wenn wegen Produktionskürzungen Marktanteile am Weltmarkt verloren gehen.

Die 14 Opec-Staaten produzieren nur noch rund ein Drittel des weltweiten Ölbedarfs. Ist das Kartell überhaupt noch der entscheidende Player am Ölmarkt?
Spannende Frage. Die Opec kann den Preis durch ihre Förderpolitik zwar immer noch beeinflussen, aber sie muss dazu immer größere Mengen einsetzen. Ökonomisch ausgedrückt: Der Grenznutzen einer Förderkürzung oder -ausweitung nimmt für die Opec ab. Wo heute vielleicht eine halbe Million Barrel reichen, muss es in einem Jahr womöglich schon eine Million sein, um den Markt zu beeindrucken. Zugleich schafft es der amerikanische Schieferölsektor immer besser, die Politik der Opec zu konterkarieren – und am Ende den Preis zu diktieren.

Wirklich? Zuletzt häuften sich Negativmeldungen aus der US-Frackingindustrie. Die Banken etwa haben die Kreditvergabe an die Branche zurückgeschraubt…
Keine Frage, der Boom ist vorbei, die Zahl der Bohrungen ist in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Zudem sind die Vorkommen, die jetzt erschlossen werden, aus geologischen Gründen schwieriger auszubeuten. Auf der anderen Seite hat die Frackingindustrie ihre Produktivität extrem gesteigert und die Kosten gesenkt. Wir haben es hier nicht mit einem homogenen Block zu tun, sondern mit hunderten von hochflexiblen Unternehmen, die in kürzester Zeit ihre Produktion hoch- oder runterfahren können. 2020 dürfte die amerikanische Ölförderung auf einen neuen Rekordwert von 13 Millionen Barrel pro Tag steigen. Und in zwölf bis 18 Monaten könnten die USA dann sogar Nettoexporteur von Öl sein.

Und wo wird dann der Ölpreis liegen? Müssen sich Autofahrer und Heizölkäufer in Deutschland 2020 auf steigende Ausgaben einstellen?
Wir sehen für das kommende Jahr noch keinen klaren Trend, weder nach oben noch nach unten. Stattdessen ist am Markt ein Jojo-Effekt wahrscheinlich: Längere Phasen mit steigenden Preisen werden durch einen abrupten Absturz beendet, gefolgt von einem neuerlichen Anstieg. Wir bekommen eine volatile Seitwärtsbewegung. Im Schnitt dürfte der Ölpreis der Sorte Brent 2020 in einem Korridor zwischen 55 und 70 Dollar pendeln.

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