Ewgenij Ivkin kennt die Probleme russischer Geschäftsleute. Er ist Krisenmanager, ein Job der gerade in Russland heiß begehrt ist. Noch vor kurzem war Ivkin vor allem bei ausländischen Firmen im Einsatz. „Das Problem ist, dass man eigentlich nirgends auf der Welt in der Presse oder im Fernsehen etwa positives aus Russland hört“, ärgert sich Ivkin. Kritisiert jedoch auch seine russischen Kollegen. „Bei uns gibt es jene, die ihr Geld ehrlich verdient haben und jene, die irgendwie und irgendwann plötzlich reich geworden sind“, erklärt der Krisenmanager.
Bei letzteren fuße das Business meist nicht auf einer Idee oder einem guten Produkt, sondern auf guten Beziehungen zu den richtigen Leuten, die in einem bestimmten Segment das Sagen haben. “Diese Leute haben keine Ahnung, wie Geschäfte funktionieren und leider prägen oft gerade solche Leute unser Außenbild.“
Sein letzter Arbeitgeber in Deutschland, Albert Sufijarow, gehört nicht zu dieser Sorte Geschäftsmann. Seit Anfang der 1990er Jahre hatte er sein Käsegeschäft aufgebaut. Erst als Ladenbesitzer, dann als Händler, später selber als Hersteller und Importeur. Anfang 2014 dann warf Sufijarow ein Auge auf den insolventen Safthersteller Rottaler aus der bayerischen Provinz. Ivkin bekam von ihm den Auftrag, das Unternehmen wieder fit zu machen.
22 Zahlen rund um den G20-Gipfel
Ein "Beast" wird durch Hamburgs Straßen fahren: so heißt das Spezialauto von US-Präsident Donald Trump.
Quelle: dpa
Drei Lieblingsfeinde gibt es für die G20-Gegner: Trump, Putin und Erdogan.
Zwölf Waggons hat der Sonderzug, der Aktivisten von Basel durch ganz Deutschland bis nach Hamburg bringen soll.
14 Einlass- und Personenkontrollen gibt es in den Sicherheitszonen rund um die Messehallen.
17 Hubschrauber der Bundespolizei und 11 der Länderpolizeien werden am Hamburger Himmel kreisen.
28 Jahre ist die „Rote Flora“ im Schanzenviertel, ein Zentrum des Anti-G20-Protests, nun schon von Linksautonomen besetzt.
29 Demonstrationen mit G20-Bezug sind zwischen dem 30. Juni und dem letzten Gipfeltag am 8. Juli angemeldet.
30 Lämmer sollen von eigens mitgebrachten Köchen für König Salman bin Abdulaziz Al-Saud und die saudi-arabische Delegation im Hotel „Vier Jahreszeiten“ gegrillt werden.
36 Delegationen mit rund 6000 Delegierten werden erwartet.
38 Quadratkilometer umfasst die Demonstrationsverbotszone.
40 Wasserwerfer der Hamburger Polizei könnten zum Einsatz kommen.
64 Prozent der Weltbevölkerung werden durch die G20 vertreten.
140 Staatsanwälte fahren extra G20-Schichten, insgesamt sind 250 zusätzliche Bereitschaftsdienste eingerichtet.
185 Hunde und 70 Pferde sind für die Polizei im Einsatz.
400 gewalttätige Demonstranten können in der eigens eingerichteten Gefangenensammelstelle in Harburg zeitweise festgesetzt werden.
1096 einzelne Glaselemente bilden die Fassade der Elbphilharmonie, in der Merkel und Co. Beethovens Neunter Sinfonie lauschen.
4245 Tage ist Angela Merkel Bundeskanzlerin, wenn sie am 7. Juli die G20-Kollegen in ihrer Geburtsstadt empfängt.
9349 Kilometer Luftlinie entfernt liegt eine Kneipe, in der man die Aktion „Soli-Mexikaner gegen Trump“ unterstützen kann: das Lokal „Brotzeit“ in Managua (Nicaragua).
12.000 Schokoriegel und 400 Kilogramm Bratwürste stehen im Medienzentrum in der Messe zur Verfügung. Insgesamt sind es rund 15 Tonnen Lebensmittel.
19.000 plus X Polizisten schützen den Gipfel...
100.000 Menschen könnten zu der abschließenden Großdemo „Grenzenlose Solidarität statt G20“ kommen.
185.000 Verpflegungsbeutel stellt die Hamburger Polizei ihren Beamten bereit. Am ersten Gipfeltag gibt es zudem Rindergulasch mit Nudeln.
„Unsere Idee war Rottaler als Premiumhersteller zu positionieren und den russischen Markt zu bearbeiten“. Er stellte einen Teil des alten Personals wieder ein, ließ die Maschinen reparieren. Doch dann kam der Absturz. Die russische Währung verlor in wenigen Wochen beinahe die Hälfte ihres Werts, sodass sogar Moskauer Edelgeschäfte ihre Aufträge stornierten. Auch der Versuch sich auf den lokalen Markt zu orientieren scheiterte. Laut Ivkin hätten die ehemaligen Besitzer des Betriebs bei den Handelsketten noch Schulden zurückgelassen, sodass keiner mit Rottaler etwas zu tun haben wollte. Vor einem halben Jahr beschlossen die Partner ihre Produktion wieder stillzulegen und kein neues Geld ins Projekt zu schießen.
Weil der russische Markt keine Goldmine mehr ist, empfiehlt Ivkin seinen Kunden sich vielmehr nach Exportmöglichkeiten umzuschauen, statt sich auf Russland als Absatzmarkt zu konzentrieren. Zwar erholt sich die russische Wirtschaft allmählich. Die jüngsten Prognosen der Weltbank gehen für das laufende Jahr wieder von einem Plus um 1,5 Prozent aus. Jedoch glauben die wenigsten Experten an eine schnelle Rückkehr alter Kaufkraft. „Die russische Wirtschaft zieht sich an allen Ecken und Enden zusammen“, erklärt Yakov Mirkin, Ökonom der staatlichen Akademie für Volkswirtschaft und Verwaltung. „Die Zentralbank und das Finanzministerium setzten auf Sparmaßnahmen und eine extrem harte Geldpolitik“, meint der Experte.
Das Ziel ist es, die Inflation mit hohen Leitzinsen zu drücken und keine hohe Staatsverschuldung zuzulassen.
International haben die Krisenmanager in der russischen Regierung, das wirtschaftsliberale Lager in Putins System, viel Lob für diese Politik kassiert. Im Januar kürte das britische Magazin „The Banker“ Russlands Elwira Nabiullina zur Zentralbankchefin des Jahres für ihren Kampf gegen die Teuerungsrate. Bisher liefen Krisen in Russland stets nach ähnlichem Muster ab. Nach einem Absturz kam die schnelle Erholung. Und mit ihr die Inflation. Weil die Zentralbank jedoch einen engen Korridor für die Schwankungen des Rubelkurses vorgab, stieg die Kaufkraft der Russen im Vergleich zum Ausland.
Für die Unternehmen bedeutete das vor allem einen schnellen Verlust ihrer Preisvorteile gegenüber ausländischer Konkurrenz. Allerdings forciert das auch nicht gerade das Wachstum. Für die meisten Russen bedeutet es: den Gürtel enger schnallen. Weil den Unternehmen Inlands- wie Auslandsmärkte wegbrechen, steigt die Arbeitslosigkeit. Erstmals in Putins Amtszeit steigt die Zahl der Armen wieder. Galten 2012 noch 15 Millionen Russen als arm, waren es 2015 schon 19 Millionen; bei sinkender Bevölkerungszahl. Die Einkommen der Russen brachen innerhalb von zwei Jahren um bis zu 30 Prozent ein.