Syrien Russland dringt auf politische Neuordnung des Landes

Moskau hat bei einem Syrien-Kongress Anhänger und gemäßigte Gegner von Präsident Assad zusammengebracht. Damit erhöht Russland den Druck – auf die bewaffnete Opposition, die Vereinten Nationen und die westlichen Staaten.

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Der russische Präsident will die rasche Beendigung eines „tragischen Kapitels in der Geschichte Syriens”. Quelle: Reuters

Sotschi Russland als wichtiger Machtfaktor in Syrien dringt auf eine politische Neuordnung des vom Krieg zerrütteten Landes. Es rief in Sotschi einen „Kongress der Völker Syriens“ zusammen, der am Dienstag nach Angaben der Opposition über die Bildung einer Verfassungskommission beriet. Dies bringt die Vereinten Nationen in Zugzwang, deren Friedensprozess in Genf ebenfalls eine neue Verfassung vorsieht. Die Gespräche stecken aber seit langem fest.

„Die Bedingungen sind gegeben, ein tragisches Kapitel in der Geschichte Syriens zu beenden“, schrieb Präsident Wladimir Putin in einem Grußwort für den Kongress. Außenminister Sergej Lawrow verlas die Botschaft vor mehreren Hundert Vertretern verschiedener Volks- und Religionsgruppen. Allerdings boykottierten wichtige syrische Rebellengruppen das Treffen.

Überschattet wurde es auch von den aktuellen Gefechten in Syrien, vor allem von der Offensive der türkischen Armee gegen kurdische Kräfte in der Nordregion Afrin. Im Syrien-Konflikt seit 2011, der sich zu einem Krieg mit vielen Akteuren ausgewachsen hat, sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 400 000 Menschen getötet worden.

Russland hat mit seinem Militäreinsatz seit 2015 Präsident Baschar al-Assad an der Macht gehalten und dessen bewaffnete Gegner an den Rand gedrängt. In Sotschi gab Moskau gemäßigten Oppositionellen Raum, die in einem Übergang neben oder nach Assad wieder eine Rolle spielen könnten. Dazu zählten Ahmed Dscharba, der ehemalige Präsident der Syrischen Nationalkoalition, der Menschenrechtler Haitham Manna und die in Frankreich lebende Politikerin Randa Kassis. Sie sind seit langem aktiv, sind aber durch die islamistische Radikalisierung der Assad-Gegner über die Jahre an den Rand gedrängt worden.

„Syrien muss sich ändern“, sagte Kassis. Eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor den Protesten gegen Assad 2011 sei unmöglich. „Es muss eine neue Regierung geben, bevor wir nach Syrien zurückkehren können.“ Assad-Anhänger sahen dagegen keinen Raum für die Exilpolitiker bei einer Friedenslösung. „Unsere Verfassung wird nur von syrischer Hand und auf syrischem Boden geschrieben“, sagte der Parlamentsabgeordnete Ahmed Kusbari. Die Oppositionsdelegation HNC beim Genfer Friedensprozess, das größte Bündnis der Regierungsgegner, boykottierte das Treffen auf russischem Boden. Zwar brachte die Türkei einige Syrer, die der bewaffneten Opposition nahestehen, nach Sotschi. Diese weigerten sich aber, am Kongress teilzunehmen. Stattdessen solle die Türkei ihre Interessen vertreten, sagten sie der staatlichen türkischen Agentur Anadolu zufolge. Die Türkei und der Iran waren Mitveranstalter.

Der UN-Syrien-Gesandte Staffan de Mistura nahm zwar an dem Treffen teil. Doch die UN und die westlichen Länder sehen den russischen Vorstoß misstrauisch, weil er den Genfer Prozess unterlaufen könnte. Im Raum steht auch die Frage, welche Staaten sich am teuren Wiederaufbau des zerstörten nahöstlichen Landes beteiligen werden. Der UN-Sicherheitsrat wollte am Dienstagabend ebenfalls über den Syrien-Krieg beraten.

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