Theresa May Der Brexit wird zur Chefsache

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May kämpft um politisches Überleben


Am Sonntag telefonierte May zudem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf der Insel als Schlüsselfigur für einen guten Brexit-Deal gilt. Die beiden Politikerinnen hätten über das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump gegen den Iran gesprochen, erklärte eine Sprecherin der Premierministerin. Dabei sei auch der bevorstehende EU-Gipfel zur Sprache gekommen: May und Merkel seien sich „einig über die Bedeutung eines anhaltend konstruktiven Fortschrittes in den Austrittsverhandlungen“. Auch mit dem französischen Präsident Emmanuel Macron und dem irischen Regierungschef Leo Varadkar wollte May am Nachmittag telefonieren, um sie zu überzeugen, sich für Großbritannien in den Gesprächen mit den anderen EU-Ländern einzusetzen.

Für die britische Premierministerin steht viel auf dem Spiel. Denn sie muss in Großbritannien um ihr politisches Überleben kämpfen – nicht nur, aber auch wegen ihres Vorgehens beim Brexit. Sowohl Brexit-Befürworter als auch Brexit-Gegner sind verärgert, dass die Verhandlungen so schleppend verlaufen. Während die Brexit-Gegner vor den Folgen des EU-Austritts warnen und eine mehrjährige Übergangsphase fordern, würden die Brexit-Befürworter am liebsten sofort einen Schlussstrich unter das Kapitel EU ziehen - und notfalls sogar ohne Deal aus der Gemeinschaft austreten.

Wenn Großbritannien ohne eine Vereinbarung mit der EU ausscheiden würde, wäre das für sein Land kein Problem, erklärte etwa der konservative Abgeordnete John Redwood im britischen Fernsehen. Und auch Transportminister Chris Grayling zeigte sich unbesorgt: Großbritannien werde „klarkommen, egal was passiert”. Er sei aber zuversichtlich, dass es einen „vernünftigen Deal“ geben werde. Schließlich sei das im Interesse beider Seiten.

Andere Briten sind da weniger optimistisch. Etwa der einflussreiche konservative Politiker Kenneth Clarke, der von Anfang an gegen den Brexit war. Sollten die Gespräche scheitern, hätte das „katastrophale Folgen“, warnte er nun. Zusammen mit Chris Leslie, einem Abgeordneten aus der oppositionellen Labour-Partei, setzt er sich dafür ein, dass die Regierung gesetzlich dazu verpflichtet wird, eine Übergangsphase auszuhandeln.

Der Vorstoß kommt der Labour-Partei wie gerufen. Denn die will im Parlament Änderungen an dem geplanten Brexit-Gesetz durchsetzen und wirbt seit langem in den Reihen der Konservativen um Zustimmung.

Es ist eine für die angeschlagene Premierministerin gefährliche Gemengelage. Schließlich hat sie in den Parlamentswahlen ihre Mehrheit im Parlament verloren und damit sogar ehemalige Verbündete in der Regierung gegen sich aufgebracht. „Wenn es jemanden gäbe, der den Job gut machen würde, dann wäre sie schon weg“, sagt ein britischer Regierungsbeamter hinter hervorgehaltener Hand. Aber angesichts der heiklen Brexit-Verhandlungen will wohl keiner mit May tauschen. Zumal ein Umsturz in der konservativen Partei Neuwahlen auslösen könnte – von denen derzeit vor allem die Labour-Partei profitieren dürfte. May ist eine Regierungschefin auf Abruf, die bei all ihren Entscheidungen auf Kritik stößt. Ein entspanntes Dinner wird May in Brüssel also nicht haben.

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