Türkei und Russland Eine Pipeline als Politikum

Eine Gas-Pipeline soll die bislang schwierigen Beziehungen zwischen Russland und der Türkei verbessern. Das könnte gelingen. Kommt es aber zu Unstimmigkeiten, wird die Türkei stärker darunter leiden.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Russlands Präsident Wladimir Putin bei Erdogans letzten Besuch im Kreml im März. Quelle: REUTERS

Erst vor acht Wochen war der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei Kremlchef Wladimir Putin zu Besuch. Nun treffen die beiden in Russland erneut aufeinander. Entsteht dort eine neue politische Freundschaft? Zumindest sehen die beiden Männer in einem guten Verhältnis ihrer Länder Chancen für beide Seiten – politisch wie wirtschaftlich.

In vielerlei Hinsicht können Russland und die Türkei von einer guten Partnerschaft profitieren: Der türkische Tourismus lebt zu großen Teilen von russischen Urlaubern, Moskau importiert große Mengen Gemüse aus der Türkei und Experten sind überzeugt, dass sich trotz der Streitereien letztlich auf beiden Seiten die pragmatische Überzeugung durchgesetzt hat, dass Moskau und Ankara wirtschaftlich und im Syrienkonflikt zusammen mehr erreichen können als alleine.

Ein Projekt sticht in den Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder besonders hervor: der Bau der türkisch-russischen Gaspipeline Turkish Stream. Denn Russland ist für die Türkei der Hauptlieferant von Erdgas – und die Türkei ein Tor für Putin nach Europa. Mit der Leitung will Russland künftig Gas durch das Schwarze Meer in die Türkei und von dort weiter nach Südosteuropa liefern. Geplant sind zwei Stränge, durch die jährlich 31,5 Milliarden Kubikmeter Gas strömen sollen. Nach einigen Wirren ist das Projekt nun gesichert: Der erste Strang soll Ende 2019 fertig sein.

Lange hatte es so ausgesehen als würde das Milliardenprojekt scheitern. Ein schwerer politischer Konflikt zwischen Russland und der Türkei hatte den Pipeline-Bau gefährdet: Nachdem die Türkei 2015 einen russischen Kampfjet an der Grenze zu Syrien abgeschossen hatte, waren die Beziehungen auf einem Tiefpunkt. Putin verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die Türkei und übte scharfe Kritik an Erdogan. Der Kremlchef sagte unter anderem: „Allah beschloss, die regierende Clique in der Türkei zu bestrafen, und hat sie um den Verstand gebracht.“ Auch die Pläne für Turkish Stream lagen auf Eis. Putin bewegte sich kein Stück mehr - und so auch das beauftrage Unternehmen Gazprom nicht.

Präsident Erdogan sah sich schließlich gezwungen, sich - wie von Putin gefordert - zu entschuldigen. Der türkische Präsident verbeugte sich sozusagen vor dem russischen – wohl vor allem um die türkische Wirtschaft nicht noch mehr zu gefährden und eingefrorene Projekte wie die Gas-Pipeline nicht scheitern zu sehen.

Mit Erfolg: Im August vergangenen Jahres legten die beiden Staaten den Streit offiziell bei. Teile der Sanktionen sind zwar noch immer in Kraft, aber seitdem haben sich die Beziehungen der beiden Länder stetig gebessert. Die Eiszeit scheint vorüber, Moskau und Ankara sind im Dialog. Erdogan nannte Putin nach der Beilegung des Streits sogar „meinen geschätzten Freund“. Beide telefonieren regelmäßig und sprechen im weniger scharfen Ton übereinander.

Und auch beim Thema Turkish Stream ging es voran: Nach langem Tauziehen unterzeichneten Russland und die Türkei im Oktober ein Abkommen zum Bau von Turkish Stream. Die Duma billigte dieses am 20. Januar, das Oberhaus am 1. Februar.

Ein Erfolg für ein Projekt, das im Grunde selbst nur aus politischer Uneinigkeit geboren wurden war. Die Pläne für die russisch-türkische Pipeline hätten nämlich nicht nur aufgrund politischer Begebenheiten scheitern können – letztendlich entstanden sie größtenteils erst aufgrund politischer Zerwürfnisse.

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