Frau Hooper, kurz bevor Barack Obama 2008 zum Präsidenten gewählt wurde, ging die US-Bank Lehman Brothers pleite und stürzte die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise. Nächste Woche wird Obamas Nachfolger gewählt. Mittlerweile verdienen die US-Banken zwar wieder prächtig, klagen aber über regulatorischen Druck. Ist das berechtigt?
Ich denke schon dass der Druck von Seiten der Behörden im Moment sehr hoch ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie als „zu hoch“ bezeichnen würde. Denn nach der Präsidentschaftswahl drohen die Regeln sogar erst einmal noch strenger zu werden. Eine Clinton-Regierung könnte weitere Verschärfungen mit einer Mehrheit im Repräsentantenhaus durchsetzen.
Clinton gilt doch eher als bankenfreundlich.
Das stimmt zwar, aber in ihrer Partei gibt es auch einen starken linken Flügel um Bernie Sanders. Sie selbst mag zwar moderat sein, aber es gibt ein Fragezeichen, wie weit Saunders und Warren sie nach links ziehen werden. Generell müssen Banken von einer demokratischen Regierung eher Regulierung erwarten als von einer konservativen.
Zur Person
Kristina Hooper arbeitet seit Februar 2007 in verschiedenen Position beim Vermögensverwalter Allianz Global Investors in New York. Aktuell leitet die Bankenexpertin die Forschungsabteilung für die US-Kapitalmärkte. Zum Interview lädt sie in den 42. Stock des Allianz Towers in Manhattan direkt am Broadway, von dem aus man die Upper Westside und den Central Park überblickt. Hooper hat Universitätsabschlüsse in Englisch, Geschichte, Finanzen und Jura.
In welchem Zustand wird die neue Präsidentin oder der neue Präsident die amerikanische Bankenbranche vorfinden?
Die Institute sind in einer viel besseren Verfassung als vor der Finanzkrise. Die US-Banken halten heute deutlich mehr Eigenkapital als jemals zuvor. Alle unsere Institute liegen bei den Kapitalkennzahlen deutlich über den regulatorischen Anforderungen von Basel III. Das ist das aktuelle Regelwerk für die Finanzinstitute und schreibt etwa vor, wie viel Kapital sie für welche Geschäfte vorhalten müssen.
Ein Grund für die Krise war auch eine allzu laxe Kreditvergabe. Sie führte dazu, dass Menschen Hypotheken aufnahmen, die dafür eigentlich gar nicht geeignet waren. Die Risiken wurden dann verbrieft und Anlegern aufgehalst. Wie sieht es heute aus?
Die Kreditvergabe hat sich deutlich verbessert; die Kreditwürdigkeit eines Kunden wird strenger überprüft. Ein persönliches Beispiel: Als ich mein erstes Haus gekauft habe, waren mein Mann und ich gerade fertig mit der Uni. Die Bank wollte damals eine Kopie unserer Diplome sehen und das war es. Ein Einkommen oder Vermögen mussten wir nicht nachweisen. Diese Art von Krediten ist heute gar nicht mehr denkbar.
Haben die Banken auch sonst ihre Lektionen aus der Finanzkrise gelernt?
Banken haben ihr Filialwachstum zurückgefahren. Zwischen 1950 und 2006 hatten wir fünf Prozent mehr Filialen pro Jahr. Auf 1.400 Menschen kommt heute eine Bankfiliale. Doch heute wächst die Zahl nicht mehr so rasant, nur noch mit einem Prozent pro Jahr. Die Banken haben sich also an ein geringeres Wachstum gewöhnt, was gesund ist. Wir sehen außerdem, dass die Institute ihre Kosten besser im Griff haben, auch die Kosten für Rechtstreitigkeiten lassen nach.
Die Banken ächzen nicht nur unter der Regulierung, sondern auch unter den Niedrigzinsen. Welche Bereiche des Bankwesens sind überhaupt noch attraktiv? Vermögensverwaltung vielleicht, weil die Niedrigzinsen mehr Menschen das Geld vom Sparkonto holen und in Aktien stecken lassen?
Der Bereich Vermögensverwaltung profitiert vom Anlagenotstand der Menschen, das ist richtig. Eine Einbahnstraße ist es trotzdem nicht. Denn auch hier setzt die Regulierung den Banken zu. Ein neues Gesetz wird Finanzberater enger an die Leine nehmen. Das macht aktiv gemanagte Vermögensverwaltung noch teurer. Merill Lynch etwa wird demnächst keine aktiv verwalteten Altersvorsorgeprogramme mehr anbieten. Die strengere Regulierung wird den Wettbewerb unter den aktiven Vermögensverwaltern verschärfen und die Kunden zu denen treiben, die echte Mehrleistung – also Rendite - bringen. Der zweite Profiteur sind die Anbieter passiver Investment-Lösungen.
Bleiben uns die Niedrigzinsen noch länger erhalten oder wird es in den USA bald den nächsten Zinsschritt geben?
Wir rechnen damit, dass es im Dezember so weit ist. Aber der Anstiegszyklus diesmal wird nicht so sein wie die vorherigen. Dazu müssen Sie sich nur anschauen, wie viele Zinsschritte für 2016 die Fed vor einem Jahr erwartet hat und wie viele es letztendlich geworden sind. Da ist das Verhältnis vier zu maximal eins. Wir erwarten, dass die Zinsen sehr langsam steigen und absolut auch nicht auf alte Höhen vordringen werden. Drei bis dreieinhalb Prozent werden wahrscheinlich die Spitze dieses Zyklus markieren. Doch sollte Trump noch Präsident werden, sind hier vielleicht auch Überraschungen möglich.
Wieso?
Glaubt man den Gerüchten, dürfte die aktuelle Fed-Präsidentin Janet Yellen zurücktreten, wenn er wirklich ins Amt kommen sollte. Und er kann noch einige andere Positionen im Federal Open Market Committee neu besetzen. Und da wird er Leute nehmen, die schnellere Zinserhöhungen anstreben.