US-Parteien in der Krise Zwischen Republikanern und Demokraten ist noch Platz

Evan McMullin ist der politische Aufsteiger des Jahres. Der unabhängige Präsidentschaftskandidat könnte den Bundesstaat Utah gewinnen. Die historische Sensation könnte der Startschuss für eine politische Revolution in Amerika werden.

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Die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump bei einer ihrer TV-Debatten. Quelle: AP

Wenn die US-Fernsehsender in diesen Tagen ihre aktuellen Wahlumfragen veröffentlichen, dann scheint, als hätten die Verantwortlichen vergessen, die Grafiken auszutauschen. Neben Donald Trump und Hillary Clinton erscheinen auf den Monitoren der libertäre Kandidat Gary Johnson und die Grüne Jill Stein. Die beiden Unabhängigen dümpeln auf dem unteren Niveau einstelliger Prozentpunkte. Sie werden keine Rolle im Wahlkampf spielen und gehören zu der Kategorie: Kämpfer in eigener Sache, aber chancenlos.

Auch Evan McMullin ist eigentlich so ein Kandidat. Seine Haare hat er abrasiert. Wenn er spricht, klingt seine Stimme ruhig und zurückhaltend. McMullin ist 40 Jahre alt, praktizierender Mormone aus Utah und Konservativer. Er gehörte einst der republikanischen Partei an und hat mal für den Geheimdienst CIA gearbeitet. Nun tritt er als Unabhängiger zur Präsidentschaftswahl in ein paar Dutzend Bundesstaaten an. Doch der Mann könnte Geschichte schreiben.

McMullin ist nämlich auf bestem Weg, der erste Kandidat seit 48 Jahren zu sein, der bei der Präsidentschaftswahl einen Staat für sich gewinnt. In Utah liegt er laut Umfragen im Schnitt nur wenige Prozentpunkte hinter Trump und noch vor Clinton. Eine Umfrage sieht den Kandidaten sogar vier Prozentpunkte vor dem Republikaner und noch weiter vor der Demokratin.

Der unabhängige Kandidat und Konservative Evan McMullin. Quelle: AP

Zwar vergibt Utah am Wahldienstag nur sechs Stimmen. Die Zahl der so genannten Wahlmänner ist abhängig von der Bevölkerungszahl und Utah gehört mit seinen knapp drei Millionen eher zu den kleineren Staaten. Doch sechs Stimmen könnten die Wahl entscheiden. Sie könnten sogar einen einzigartigen Patt herbeiführen, bei dem weder Trump noch Clinton die erforderliche Mehrheit auf sich vereinen, um zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt werden zu können.

Außerdem könnte McMullin damit ein politisches Erdbeben auslösen, das den traditionellen Parteien eine neue Kraft entgegensetzt. Gelänge dem Aufsteiger am 8. November die Sensation, wäre dies ein Zeichen, dass die Wähler das politische Establishment satt sind, zu dem – ironischerweise – auch Donald Trump als Kandidat der Republikaner gehört.

McMullin versteht sich als konservative Alternative zu Trump. Er glaubt an den Wert der Familie, der Religion und die Freiheit des Einzelnen. Als CIA-Agent war er im Mittleren Osten stationiert. Ein Schwerpunkt seiner Agenda gilt der Außenpolitik. Doch vor allem will er eine „neue konservative Bewegung“ ins Leben rufen. Bis Anfang des Jahres war er aktives Mitglied Republikaner. Er war einer ihrer strategischen Organisatoren. Jetzt will er vor allem Trump verhindern.

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Hillary Clinton Quelle: dpa
Hillary Clinton Quelle: AP
James Comey Quelle: AP
Anthony Weiner und Huma Abedin Quelle: AP
Donald Trump Quelle: AP
Paul Manafort Quelle: REUTERS
Wladimir Putin Quelle: REUTERS

Möglich ist das. Denn Trump benötigt jede Stimme, um US-Präsident zu werden. Zwar sieht ihn eine nationale Umfrage wieder knapp vor Hillary Clinton, doch dies bezog sich auf eine bundesweite Befragung. Entscheidend sind die so genannten Wahlmännerstimmen, die jeder Bundesstaat abhängig von seiner Größe nach Washington schickt. Denn der US-Präsident wird indirekt gewählt. Jeder Bundesstaat verteilt seine Stimmen nach dem Winner-takes-it-all-Prinzip. Derjenige Kandidat, der in einem Staat die Wahl gewinnt, erhält alle dem Staat zustehenden Stimmen.

Wer US-Präsident werden will, braucht 270 Stimmen und McMullin könnte dies verhindern. Gewinnt der Unabhängige in Utah, einem traditionellen Republikaner-Staat, würde zunächst einmal Trump ein Problem haben. Denn der Immobilienmilliardär rechnet fest mit den Stimmen des vor allem ländlich und mormonisch geprägten Staates. Trump warnte in einem Fernsehinterview bereits vor McMullin. Er renne „von einem Café ins nächste“, um Wahlkampf zu machen. Dies könne „uns richtig wehtun“, sagte Trump. McMullins Kandidatur sei „zerstörerisch“.

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