US-Geldpolitik Die Fed ist zu schwach, um die Inflation zu besiegen

Die US-Notenbank Quelle: REUTERS

Die US-Notenbank kündigt höhere Leitzinsen an. Doch die Zinswende dürfte zu verhalten ausfallen, um der Inflation den Garaus zu machen. Die finanzielle Repression setzt sich fort. Eine Analyse. 

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Lange haben die Finanzmärkte auf das gestrige Treffen der Notenbanker der amerikanischen Federal Reserve hin gefiebert. Sie erhofften sich davon ein Zeichen, wie es mit den Zinsen angesichts der rasant steigenden Inflationsraten weitergeht. Die Unsicherheit darüber, wie die Washingtoner Währungshüter auf die Inflation von zuletzt sieben Prozent reagieren werden, hatte die Kurse an den Aktienmärkten in den vergangenen Wochen mächtig schwanken lassen. Vor allem die Technologiewerte mussten Federn lassen.

Die Notenbanker um ihren Chef Jerome Powell waren sich der labilen Lage an den Finanzmärkten bewusst, als sie zu ihrem Treffen zusammenkamen. Wer daher gehofft hatte, die Fed werde schon jetzt die Zinszügel anziehen, hatte sich getäuscht. Wie von den meisten Beobachtern erwartet, beließ die Fed den Zielsatz für Tagesgeld bei 0,0 bis 0,25 Prozent. Allerdings erklärte Powell, die Fed werde ihre Anleihenkäufe bis Mitte März auf null zurückfahren und im Anschluss den Leitzins anheben. 

Der Fed-Chef ließ keinen Zweifel daran, dass es mit einem Zinsschritt nicht getan ist. Denn der Fokus der Fed, der lange Zeit auf der Förderung der Beschäftigung lag, hat sich verschoben. Hauptfeind Nummer Eins ist nun die Inflation. Die Wirtschaft laufe trotz Corona-Pandemie auf Hochtouren, sagte Powell. Der Arbeitsmarkt boomt, in vielen Branchen suchen die Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften.

Gefährliche Lohn-Preis-Spirale 

Die Arbeitnehmer wiederum nutzen die günstige Lage, um sich beruflich neu zu orientieren und einen besser bezahlten Job zu ergattern. Die Kündigungsquote liegt mit rund drei Prozent so hoch wie seit langem nicht mehr, die Arbeitslosenquote mit 3,9 Prozent auf Vollbeschäftigungsniveau. Das treibt die Löhne in die Höhe und legt die Saat für eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale. Zu Recht wies Powell mehrfach auf die Inflationsgefahren durch den überhitzten Arbeitsmarkt hin.

Klar ist: Die Fed muss handeln. Beobachter gehen davon aus, dass sie die Leitzinsen bis Ende dieses Jahres in mehreren Schritten auf rund ein Prozent anhebt. Zudem dürfte es nicht mehr lange dauern, bis sie damit beginnt, ihre aufgeblähte Bilanz zu reduzieren. Damit werde man nach dem Start des Zinserhöhungszyklus beginnen, erklärten die Notenbanker. Die aberwitzigen Wertpapierkäufe in der Corona-Pandemie haben die Bilanzsumme der Fed auf rund 8,8 Billionen Dollar in die Höhe schießen lassen. 

Um der Wirtschaft Liquidität zu entziehen, wird die Fed in Zukunft darauf verzichten, auslaufende Wertpapiere durch den Erwerb neuer Papiere zu ersetzen. In welchem Umfang und in welchem Tempo die Notenbank ihre Bilanz schrumpfen wird, sagte Powell in der Pressekonferenz nicht. Dies müsse auf den nächsten Treffen der Notenbanker erörtert werden. Allerdings wies er darauf hin, dass die Bilanzsumme diesmal höher und die Wirtschaft gefestigter ist als in früheren Phasen eines Bilanzabbaus. Das deutet darauf hin, dass die Bilanzreduktion im Frühsommer beginnen und schneller von statten gehen könnte als bisher erwartet.



Der Realzins bleibt negativ 

Das Hauptinstrument, mit dem die Fed die Wirtschaft steuern und die Inflation bezwingen will, bleibe jedoch der Leitzins, sagte Powell. Die insgesamt falkenhaften und was die Inflation betrifft durchaus sorgenvollen Ausführungen des Fed-Chefs machen deutlich, dass die Notenbank anders als etwa die EZB das Inflationsproblem ernst nimmt und bereit ist, den mahnenden Worten Taten folgen zu lassen.

Dennoch ist die Gefahr groß, dass die Fed zu spät kommt und zu vorsichtig agiert, um die Inflation in absehbarer Zeit wieder auf den Zielwert von zwei Prozent zu drücken. Steigt der Leitzins bis Ende dieses Jahres auf ein Prozent und bildet sich die Inflation durch eine Entspannung bei den Energiepreisen – die keinesfalls sicher ist – auf Werte zwischen drei und vier Prozent zurück, wird der reale Leitzins mit minus zwei bis minus drei Prozent weiterhin tief im negativen Bereich verharren. Damit wird er die Wirtschaft und den unterliegenden Preistrend weiter anfeuern.

Der Yale-Ökonom und frühere Chefvolkswirt von Morgan Stanley, Stephen Roach, macht darauf aufmerksam, dass sich der durchschnittliche reale Leitzins im aktuellen Zyklus negativer Realzinsen, der im November 2019 begann, bei einem solchen Szenario auf minus 3,1 Prozent stellen wird. Damit befände er sich deutlich unter dem durchschnittlichen Niveau von minus 1,1 Prozent, das in den 31 Monaten nach dem Platzen der New-Economy-Blase Anfang des Jahrtausends verzeichnet wurde und auch unter den minus 1,9 Prozent, die im Schnitt der 62 Monate nach der Finanzkrise 2008 zu beobachten waren. 

Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag von Stephen Roach: Die Fed spielt mit dem Feuer

Ein derartiger im historischen Vergleich extrem niedriger Realzins sei „ein Spiel mit dem Feuer“, sagt Roach. Die Fed befinde sich „weit hinter der Kurve“ und sei mit ihren bisher avisierten Zinserhöhungen kaum in der Lage, die Inflation auf den Zielwert von zwei Prozent zu drücken.

Die Fed ist im Schwitzkasten der Regierung und der Märkte

Roach liegt mit seiner Kritik richtig. Um das Feuer der Inflation auszutreten, bevor es das ganze Haus erfasst, müsste die Fed die Leitzinsen in den nächsten Monaten schnell und kräftig erhöhen. Trippelschritte von 25 Basispunkten pro Quartal, wie sie die Finanzmärkte erwarten, reichen nicht. Eine boomende Wirtschaft wie die USA mit einem heiß laufenden Arbeitsmarkt, rasant steigenden Löhnen und zweistelligen Zuwachsraten bei den Immobilienpreisen braucht Realzinsen von deutlich über Null Prozent. Erforderlich dazu sind Zinsschritte, die den Leitzins bis Ende dieses Jahres auf deutlich über drei Prozent hieven.

Dass die Fed den Mut und den Willen dazu hat, darf jedoch bezweifelt werden. Denn sie befindet sich – wie die meisten anderen Zentralbanken – im Schwitzkasten der Regierungen und der Finanzmärkte. Diese lechzen nach negativen Realzinsen. Die Regierungen, damit sie ihre exorbitanten Schuldenberge, die sie in den Krisen der vergangenen Jahre aufgetürmt haben, abtragen können. Die Finanzmärkte, damit ihnen das Schmiermittel für das Räderwerk nicht ausgeht, das ihre kreditfinanzierten Spekulationsgeschäfte antreibt.



Die Zinswende, die Powell angekündigt hat, ist daher nicht mehr als der Versuch, die Inflation nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen ohne dabei die finanzielle Repression, die die Zentralbank zur Entschuldung der Regierung betreibt, zu beenden. Die Geldnutzer haben daher wenig Grund aufzuatmen. Vielmehr sollten sie sich darauf einstellen, dass die schleichende Enteignung von Gläubigern und Sparern durch negative Realzinsen noch viele Jahre weitergeht.

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