US-Vorwahlen in New Hampshire Die Energie ist links

Der linke Senator Bernie Sanders hat die zweite Vorwahl im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten knapp gewonnen. Quelle: dpa

Der linke Demokrat Bernie Sanders hat nach New Hampshire nun in zwei Wettbewerben jeweils die meisten Stimmen gewonnen und gilt damit – Stand heute – als Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur der Partei. Aber noch kein Grund für die Mitte, aufzugeben.

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Die „President Pete“-Sprechchöre wollen gar nicht aufhören, als der Kandidat um kurz vor 23 Uhr endlich auf die Bühne tritt. Pete Buttigieg, der ehemalige Bürgermeister von South Bend, hat lange gewartet, bevor er im Community-College von Nashua vor 1200 seiner Anhänger tritt. Lange lag die Hoffnung nach einer Sensation in der Luft. Schließlich kroch der 38-Jährige in den Auszählungszwischenständen der Vorwahl der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur im Bundesstaat New Hampshire je später der Abend wurde immer näher an die führenden Senator Bernie Sanders heran. Zeitweise lagen die beiden Bewerber nur noch einen Prozentpunkt auseinander. Doch dann, kurz nachdem Buttigieg endlich auf die Bühne getreten war, zerplatzten die Träume seiner Anhänger. Kaum hat er begonnen zu sprechen, erklären die ersten Fernsehsender das Rennen für gelaufen. Pete hat verloren, wenngleich denkbar knapp.

Seine Anhänger wollen sich davon jedoch nicht entmutigen lassen. Auch als die Nachricht im Saal langsam die Runde macht, brechen die Begeisterungsausbrüche nicht ab. Buttigieg lässt es geschehen. Immer wieder unterbricht er seine Rede, lässt die Unterstützer feiern. Denn die Niederlage fühlt sich für ihn wohl fast wie ein Sieg an. Vor wenigen Wochen hat er seine Werte hier, bei der ersten Primary der Demokraten, verdoppelt. In die nächsten Wettbewerbe geht er als – zwischenzeitliche – Führungskraft des moderaten Parteiflügels.

Die Erwartungen an die New-Hampshire-Primary waren enorm. Nach dem Skandal-Caucus in Iowa sollte die klassische Vorwahl in dem kleinen Bundesstaat in Neuengland endlich eine eindeutige Standortbestimmung der oppositionellen Demokraten ermöglichen. Seitdem Donald Trump 2016 die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, kämpfen innerhalb der Parteien zwei Denkschulen um die Vorherrschaft: Die einen wollen durch eine scharf linke Wirtschaftspolitik und unverwässert progressive Agenda neue Wählerschichten erschließen und so quasi durch einen Volksaufstand an der Wahlurne das Weiße Haus gewinnen. Die anderen zielen mehr auf Wähler in der Mitte und wollen ganz in der Tradition des Dritten Wegs auch moderate Republikaner und Unabhängige von sich überzeugen.

Es ist ein PR-Gau: Auch am Tag nach der Abstimmung der ersten Vorwahl der US-Demokraten in Iowa gibt es kein endgültiges Ergebnis. Eine Blamage für die Partei. Dennoch zeichnet sich bereits eine Tendenz ab – nach links.
von Julian Heißler

Klären konnte die New-Hampshire-Primary diesen Gegensatz nicht. Wieder war das Ergebnis knapp. Zusammengenommen lagen die moderaten Kandidaten zwar vorne, doch diese Sicht ist womöglich zu simpel. Auch sollte nicht übersehen werden, dass es Senator Sanders nun in zwei aufeinanderfolgenden Wettbewerben gelungen ist, jeweils die meisten Stimmen zu gewinnen, wenngleich Buttigieg aufgrund des Wahlsystems in Iowa dennoch als Sieger gilt. Der 78-Jährige muss damit – Stand heute – als Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur der Partei gelten.

Siegessicher hatte sich Sanders bereits am Tag vor der Wahl gegeben. In Durham ließ er sich bei seiner Abschlusskundgebung von knapp 7500 Anhängern in der Eishockeyarena der University of New Hampshire feiern – eine drei Mal größere Zuschauermenge wie irgendeine Wahlkampagne im vergangenen Jahr angezogen hatte, teilte das Sanders-Team mit. Die Veranstaltung war eine Machtdemonstration. Unter dem Jubel seiner Unterstützer zählte Sanders seine progressive Wunschliste auf – von höheren Steuern für Reiche und Unternehmen über eine Börsensteuer bis hin zur Verstaatlichung des Gesundheitssystems. Zuvor hatte Linken-Superstar Alexandria Ocasio-Cortez die Masse bereits auf Temperatur gebracht. Dann spielten „The Strokes“. Die Botschaft der Veranstaltung war klar: Die Energie ist links.

Geschlagen sind die Zentristen jedoch noch lange nicht. Dass Sanders hier gewinnen würde, hatte sich lange abgezeichnet. Der Senator des Nachbarstaats Vermont ist im Granite State eine bekannte – und beliebte – Größe. Schon vor vier Jahren gewann er hier die Primary, damals mit mehr als 60 Prozent der Stimmen.

Davon ist er diesmal weit entfernt, allerdings lassen sich die beiden Wahlkämpfe kaum vergleichen. 2016 stand Sanders allein gegen Hillary Clinton. Diesmal ist das Kandidatenfeld deutlich zersplitterter. Mit Elizabeth Warren hat Sanders nominell auch auf dem linken Flügel Konkurrenz – wenngleich sein Sieg und ihr schwaches Abschneiden ihn nun endgültig als wichtigste Stimme des progressiven Lagers konsolidiert hat.

Verglichen damit ist das moderate Lager noch völlig unsortiert, obwohl sie auch bei der gestrigen Primary das größere Lager gestellt haben. Buttigieg schnitt zwar zweimal äußerst respektabel ab, doch er ist den Beweis noch schuldig, dass er auch in Bundesstaaten mit einer diverseren Bevölkerung gewinnen kann. Gelingt ihm das nicht, hat er keine Chance – weder auf die Nominierung noch aufs Weiße Haus – denn die Minderheiten-Communities zählen zu den wichtigsten Wählergruppen der Demokraten.

Hier ist traditionell Joe Biden stark, doch der Ex-Vizepräsident hat durch sein erneut schwaches Abschneiden mit ernsthaften Zweifeln an seiner Kandidatur zu kämpfen. Biden wischte Zweifel an seiner Eignung für die Präsidentschaft stets mit dem Verweis weg, er könne Wahlen gewinnen. Nun hat er jedoch zweimal verloren – und dass nicht nur knapp, sondern deutlich. Aus New Hampshire floh er bereits am Vormittag des Wahltags, schwänzte die traditionelle Party mit seinen Anhängern. Ihm war wohl klar, dass es nicht viel zu feiern geben würde. Per Videoschalte meldete er sich am Abend dennoch bei seinen wenigen Anhängern, die trotz abwesendem Kandidaten zur Feier gekommen waren. „Es ist noch nicht vorbei, Mann“, beschwort er sie von einer Versammlung aus South Carolina.

Verkompliziert wird die Lage noch durch die Kandidaturen von Senatorin Amy Klobuchar und New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg. Klobuchar schnitt in New Hampshire überraschend stark ab – stärker, als in Iowa, wo sie als Vertreterin von Minnesota eigentlich leichteres Spiel gehabt hätte. Ob sie in Nevada und South Carolina auch überzeugen kann, muss sich allerdings noch zeigen.

Bloomberg wiederum will erst im März richtig ins Rennen einsteigen. Eine Taktik, die bislang noch nie für einen Kandidaten funktioniert hat. Allerdings konnte bislang auch noch nie ein Bewerber so viel Geld in den Wettbewerb pumpen wie der Unternehmer. So oder so: Übersichtlicher wird die Situation im moderaten Lager auf absehbare Zeit nicht.

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