Versicherungsschäden Eine Million Haushalte ohne Strom – Industrie atmet nach Hurrikan „Ida“ trotzdem auf

Die Folgeschäden des Hurrikans an der US-Südküste treffen auch die Industrie. Doch Experten erwarten weniger finanzielle Auswirkungen als nach Hurrikan „Katrina“.

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Analysten der Finanzberatung Boenning & Scattergood bezifferten die Kosten für die Versicherungen in einer ersten Einschätzung diesmal auf 10 Milliarden Dollar (8,5 Milliarden Euro). Quelle: imago images/ZUMA Wire

Hurrikan „Ida“ hat bei weitem nicht solche Verwüstungen angerichtet wie Hurrikan „Katrina“ vor 16 Jahren. Auch die Industrie in der Region atmet vorsichtig auf. Analysten der Finanzberatung Boenning & Scattergood bezifferten die Kosten für die Versicherungen in einer ersten Einschätzung diesmal auf 10 Milliarden Dollar (8,5 Milliarden Euro), deutlich weniger als die mehr als 90 Milliarden Dollar nach „Katrina“.

Doch sollte die Stromversorgung nicht zügig wieder hergestellt werden, könnte das zumindest zeitweise Folgen für die Öl-, Erdgas- und Chemieindustrie entlang der Küste haben. Nach dem Sturm waren zeitweise mehr als eine Million Stromkunden von der Versorgung abgeschnitten.

Je länger es keinen Strom gibt, desto länger werden die Unternehmen damit zu tun haben, ihren Betrieb wieder hochzufahren. Und tatsächlich könnte es Wochen dauern, bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist.

Gut 15 Prozent der täglichen Ölproduktion am Golf von Mexiko fielen durch den Sturm aus. Das sind rund zwei Millionen Barrel. Die Menge an verfügbarem Benzin in den USA beeinflusste das aber zunächst nicht. Denn das US-Energieministerium hatte vor einer Woche angekündigt, bis zu 20 Millionen Barrel aus den strategischen Kraftstoffreserven des Landes zu verkaufen.

Es hätte auch schlimmer kommen können, sagt Öl-Experte Richard Joswick vom Informationsdienst S&P Global Platts. Hätte sich Hurrikan „Ida“ nur etwas weiter westlich bewegt, wären bis zu vier Millionen Barrel täglich ausgefallen: „Wenn es keinen Strom gibt, laufen eben auch die Raffinerien nicht.“

Strom fiel in ganz New Orleans aus

Nach dem Durchzug des Sturms waren in Louisiana die Häfen von Baton Rouge, Gramercy und Morgan City geschlossen, in Mississippi der Port of Pascagoula. Auch der Louisiana Offshore Oil Port im Golf von Mexiko arbeitete nicht. Der Hafen von New Orleans machte zwar dicht, teilte aber mit, dass ersten Überprüfungen zufolge keine größeren Schäden entstanden seien.

Doch Jacques Rousseau, Analyst bei Clearview Energy Partners, ist noch vorsichtig: „Wir müssen noch etwas abwarten, um zu sehen, ob es nicht doch noch größere Schäden gibt, die eine Raffinerie länger außer Gefecht setzen könnten.“

Am Wochenende bereits schloss Phillips 66 eine Raffinerie in Belle Chasse in Louisiana, Exxon Mobil fuhr die Produktion in einer Raffinerie in Baton Rouge herunter. Am Montag teilte eine Sprecherin mit, die Raffinerie sei nicht schwer beschädigt und könne wieder arbeiten, sobald es Rohstoffe und Strom gebe.

Als der Hurrikan über die Küste hinwegfegte, fiel in ganz New Orleans der Strom aus. Örtlichen Behörden zufolge könnte es Wochen dauern, bis die Versorgung wieder komplett hergestellt sei. Vor Ankunft des Sturms wurde die Ölproduktion im Golf fast komplett heruntergefahren, Arbeiter wurden vorsorglich evakuiert.

Doch der Hurrikan kommt zu einer Zeit, in der die Nachfrage nach Kraftstoffen ohnehin sinkt - wie üblich im September und Oktober. Wenn das diesmal auch wieder zutrifft, könnte dies die Auswirkungen des Sturms auf die Preise abmildern.

Keine Erholung seit Hurrikan „Katrina“ in New Orleans

Die meisten Naturkatastrophen schädigen die 23 Billionen Dollar (19,5 Billionen Euro) schwere US-Wirtschaft insgesamt nur wenig. Selbst die am schwersten getroffenen Regionen erholen sich oft schnell, dank all der Investitionen in den Wiederaufbau.

Aber in New Orleans hat sich der Arbeitsmarkt seit Hurrikan „Katrina“ nicht wieder erholt. Einen Monat, bevor der Sturm über das Land hinwegfegte, im Juli 2005, gab es im Großraum New Orleans mehr als 620.000 Jobs. Davon gingen 185.000 Jobs verloren, als die Menschen nach dem Sturm aus der überfluteten Stadt flüchteten. Viele kehrten nie wieder zurück.

Dann kam die Große Rezession der Jahre 2007 bis 2009 - und letztlich die Corona-Pandemie, die die vom Tourismus abhängige Wirtschaft schwer traf. Im Juli gab es nur noch 530 000 Jobs in New Orleans. Das sind fast 15 Prozent weniger als vor „Katrina“. In der selben Zeit stieg die Beschäftigung in den USA um 9 Prozent an.

„Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt D.J. Johnson, dem die New Orleans Art Bar und der Buchladen Baldwin & Co. gehören. Beide haben im Hurrikan einen Wasserschaden erlitten. „Wir in New Orleans wurden sehr, sehr hart getroffen.“

Die Bäckerei Bread on Oak öffnet in dieser Woche nur, um ein paar Lebensmittel aus den Kühlschränken zu retten, die ebenfalls ohne Strom sind. Inhaber Sean O'Mahony fürchtet nicht nur die Kosten, um die Vorräte wieder aufzufüllen. Er rechnet auch damit, dass er einen Teil seiner Mitarbeiter verliert, die besser bezahlte Jobs als Handwerker und Aufräumarbeiter nach dem Sturm annehmen.

Doch obwohl es viele solcher persönlichen Schicksale gibt, ist Adrienne Slack, stellvertretende Chefin der Federal Reserve Bank of Atlanta in New Orleans optimistisch: „Die Deichanlagen sind viel besser (seit „Katrina“)“, sagt sie: „Wir blicken diesmal nicht auf eine Stadt, die drei Wochen lang unter Wasser steht.“

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