Aktuelle Stunde im Bundestag Politiker knöpfen sich VW wegen Abgastests mit Affen vor

In einer Aktuellen Stunde zu Affenversuchen mit Autoabgasen attackierten die Politiker vor allem VW. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen.

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Die Fraktion der Grünen hatte eine Aktuelle Stunde beantragt. Sie wollte wissen, ob die Bundesregierung bereits vor Bekanntwerden der Affäre am vergangenen Wochenende von den „zwielichtigen Methoden“ der Autoindustrie wusste. Quelle: dpa

Berlin Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) hat die Schadstoff-Tests an Affen und Menschen als absolut inakzeptabel bezeichnet. In einer Aktuellen Stunde zu den Abgastests an Affen im Auftrag der Automobilindustrie, betonte er, dass das Ziel nicht sein könne, die Unschädlichkeit von Abgasen nachweisen zu wollen, sondern die Grenzwerte künftig einzuhalten, sagte der CSU-Politiker im Bundestag. „Ich rate den Unternehmen dringend, schleunigst die Trendwende einzuleiten“, so Schmidt. Die personellen Konsequenzen – VW und Daimler haben bereits erste verantwortliche Manager beurlaubt – könnten nur ein erster Schritt sein. Er empfehle entsprechende Prüfraster zu etablieren, damit sich solche Skandale nicht wiederholten.

Die Affäre um Abgastests an Menschen und Affen war am Freitag Thema im Bundestag. Die Grünen hatten eine Aktuelle Stunde beantragt. Sie wollten wissen, ob die Bundesregierung bereits vor Bekanntwerden der Affäre am vergangenen Wochenende von den „zwielichtigen Methoden“ der Autoindustrie wusste und inwieweit diese Methoden aus öffentlichen Geldern finanziert wurden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die umstrittenen Diesel-Abgastests scharf verurteilt und selbst Aufklärung eingefordert. „Diese Tests an Affen oder sogar Menschen sind ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Die Empörung vieler Menschen ist absolut verständlich.“

Dabei sind die Abgastests an Tieren dem Untersuchungsausschuss zum VW-Abgasskandal schon seit eineinhalb Jahren bekannt. Bereits auf dessen Sitzung am 8. September 2016 berichtete der bekannten Toxikologe Helmut Greim mehrfach davon, dass es entsprechende Tests gegeben habe. Keiner der informierten Politiker nahm jedoch daran Anstoß. Dies geht aus dem stenografischen Protokoll der Sitzung hervor, wie das Handelsblatt berichtete. Das Statement des Toxikologen für den U-Ausschuss vom 26. August 2016 ist auf der Webseite des Bundestages abrufbar (PDF).

Der neue Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Grünen-Politiker Cem Özdemir, warf der Autoindustrie und „ihren Freunden in der Politik“ vor, ihre Machenschaften gefährdeten nicht nur die Gesundheit der Menschen sondern schädigten zugleich den Ruf der Produkte „made in Germany“ und damit den Standort Deutschland. Deutschland müsse „endlich aufhören, Jobs und Gesundheit gegeneinander auszuspielen“ und stattdessen forciert die Verkehrswende hin zum emissionsfreien Auto mit intelligenten Mobilitätskonzepten einleiten.

Er erneuerte den Ruf der Grünen nach einer Blauen Plakette: Nur sie könne den Kommunen wirksam helfen, die Stadtluft sauberer zu machen. Der Bundesverkehrsminister hielt dem entgegen, dass die Luft in den Kommunen nach den neusten Zahlen schon sauberer geworden sei. Dieser Trend werde auch ohne Fahrverbote weiter gehen.

Unionspolitiker Steffen Bilger kritisierte die Blaue Plakette dagegen als „ganzjähriges Fahrverbote“ für viele Autofahrer, deren Fahrzeuge den Anforderungen nicht genügten, und richtete in diesem Zusammenhang heftige Angriffe an VW-Chef Matthias Müller, der sich für die Plakette ausgesprochen hatte: Es könne nicht sein, dass „sie den Leuten erst Autos verkaufen wollen, und dann Fahrverbote und höhere Treibstoffkosten zumuten“, sagte er an die Automobilindustrie gerichtet.

Heftige Kritik am Wolfsburger Konzern kam auch von der FDP: „Warum schon wieder VW?“ fragte deren Abgeordnete Judith Skudelny. Der Konzern habe „seit 2015 offenbar nichts dazu gelernt“. Mit Blick auf VW-Boss Müller stelle sich die Frage: „Ist er nicht fähig oder ethisch nicht willens, Transparenz zu schaffen?“

Die Linken forderten erneut Strafzahlungen für die Automobilhersteller und flächendeckende Nachrüstung der Dieselmotoren. Es liege an der „Ignoranz der Regierung, dass wir alle, die gesamte Bevölkerung, Versuchstiere in einem deutschlandweit angelegten Abgastest sind“, sagte auch die Abgeordnete Ingrid Remmers (Linke). Das politische Signal sei: „Die Autoindustrie steht über dem Gesetz“.

Die SPD forderte anlässlich des Skandals von der Union, endlich ihren Widerstand gegen ein Lobbyregister aufzugeben. Die aufsehenerregende Studie, bei der Affen Dieselabgasen ausgesetzt wurden, habe das von der Automobilindustrie beauftragte Forschungslabor nur deshalb machen können „weil niemand wusste, wer sie bezahlt hat“, sagte die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann. Daneben brauche es schleunigst auch für Tierversuche ähnlich wie bei klinischen Versuchen, eine öffentlich zugängliche Datenbank, damit unnötige Doppelversuche auf Kosten von Tieren vermieden würden.

Die eigentliche Frage der Aktuellen Stunde, nämlich wieviel die Politik selbst von den Affenabgastests wusste, ließen die Abgeordneten allerdings unbeantwortet.

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