Arbeitsmarkt für Flüchtlinge "Das Schlimmste wäre, die Grenzen zu schließen"

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"Die Immigranten nehmen den Deutschen keine Jobs weg"

Das heißt?

Nicht jeder, der aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommt, will auf Dauer bleiben. Viele kommen in guten Zeiten und gehen in schlechten. Wir brauchen eine Strategie für Kriegsflüchtlinge und Verfolgte und eine andere für sogenannte Wirtschaftsasylanten, die es natürlich gibt. Wir sind aus demografischen Gründen auf Zuwanderung angewiesen, und noch nie war das Einwandern für hoch Qualifizierte in Deutschland so einfach wie gerade jetzt. Nur die Konkurrenz ist groß, und es kommen viel zu wenige.

Woran liegt das?

Migranten informieren sich vor allem durch soziale Netzwerke. Da spricht es sich schnell herum, wo sie sich willkommen fühlen und wo nicht. Die Flüchtlingssituation ist deswegen eine Chance, der Welt zu sagen, wir Deutsche sind anders, als viele glauben. Wir bauen keine Festung, sondern wir sind ein weltoffenes Land und bereit, unter bestimmten Bedingungen Menschen aufzunehmen. Die Grenzen zu schließen wäre das Schlimmste, was jetzt passieren könnte.

In der Türkei haben Kriegsflüchtlinge aus Syrien die Wirtschaft nicht zuletzt durch ihre Tätigkeit im informellen Sektor belebt. Ist das auch bei uns zu erwarten?

Die deutsche Schattenwirtschaft ist keine Hochburg für gering Qualifizierte. Es sind eher die gut ausgebildeten Fachkräfte wie Handwerker, die sich in der Schattenwirtschaft tummeln. Den jetzigen Flüchtlingen fehlt die Qualifikation, mit diesen Personen zu konkurrieren. Das gilt auch für den legalen Arbeitsmarkt. Diese Immigranten nehmen den Deutschen keine Jobs weg. Sie konkurrieren vielmehr untereinander um die für sie geeigneten Jobs.

Wäre es sinnvoll, Sozialleistungen für Immigranten zu kürzen, um den Anreiz für Zuwanderung zu senken?

Die Menschen, die jetzt zu uns strömen, wollen in erster Linie hier arbeiten. Es gibt keine Belege dafür, dass sie Tausende von Meilen zurücklegen, nur um sich dann in die soziale Hängematte zu legen.

Überfordert die Zuwanderung die Aufnahmefähigkeit Deutschlands?

Was uns herausfordert, ist der plötzliche Ansturm von Zuwanderern, die wir so schnell nicht immer befriedigend unterbringen können. Die Bundesbürger sollten sich aber darüber hinaus auf eine dauerhafte, wirtschaftlich begründete Zuwanderung einstellen – nur müssen wir dann unter den Einwanderungswilligen selektieren, damit diejenigen einwandern, die qualifiziert sind und als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Überfordert sehe ich derzeit Europa. Das Einwanderungsproblem ist eine größere Herausforderung für den Kontinent als die Euro-Krise. Wenn es nicht gelingt, für die Flüchtlingsfrage eine europaweite Lösung zu finden, wird Europa zerfallen.

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