Arbeitsmarkt Taugt die duale Ausbildung zum Exportschlager?

"Trained in Germany" avanciert zum neuen Markenzeichen deutscher Wertarbeit. Während in einigen EU-Südländern die Jugendarbeitslosigkeit grassiert, feiert das Modell Deutschland Beschäftigungsrekorde. Als Blaupause für Europa taugt die deutsche Ausbildung trotzdem nur bedingt.

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Der Cleo-Skribent-Geschäftsführer mit seinen Azubis Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Von Berlin nach Bad Wilsnack sind es mit dem Zug nicht einmal anderthalb Stunden, aber man darf getrost davon ausgehen, dass von den 27 Arbeitsministern und 20 europäischen Staats- und Regierungschefs und auch von den EU-Würdenträgern José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy, die alle am Mittwoch in der deutschen Hauptstadt ihre Aufwartung machen werden, keiner den Weg zu Wolfgang Weiß nach Bad Wilsnack finden wird.

Dabei könnte die Garde der Spitzenpolitiker in dem brandenburgischen Städtchen sehr Handfestes lernen für ihren Kampf gegen die arbeitslose Jugend auf den Straßen Madrids, Athens oder Roms; mehr jedenfalls, als im Kanzleramt wohl in Erfahrung zu bringen sein wird. Es genügt, einfach Weiß durch seinen Betrieb zu folgen und ein wenig zuzuhören. "Jede Firma, die an ihre eigene Zukunft denkt, braucht Azubis", sagt der Familienunternehmer. "Ohne sie mag es ein paar Jahre gut gehen. Aber eine echte Perspektive haben wir nur, wenn wir ausbilden."

Keine Produktion in Billiglohnländern

Positiver Trend: Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen in Deutschland

Zu DDR-Zeiten produzierte seine Firma Cleo Skribent für sozialistische Brüdervölker, seit der Wende aber verkaufen sie die feinen Federhalter bis nach New York, Tokio oder Shanghai. Rund 180 000 Füller und anderes edles Schreibgerät verlassen Jahr für Jahr die kleine Manufaktur, außerdem filigrane Komponenten für Montblanc, Pelikan oder Faber-Castell. Jedes später noch so unsichtbare Teil produzieren 50 Mitarbeiter ausschließlich in Bad Wilsnack, nicht einmal schnöde Plastikröhrchen würde Weiß in China oder Vietnam pressen lassen – es wäre mit seinem Begriff von Wertarbeit einfach nicht zu vereinbaren.

Diesen Anspruch hat Weiß auch an sein Personal, deswegen überlässt er deren Ausbildung Leuten, denen er vertraut: seinen eigenen. Drei Azubis pendeln momentan zwischen der Berufsschule und dem Werk, um bei Cleo Werkzeugmacher oder Kunststoffverfahrenstechnik zu lernen. "Und wen wir ausbilden", sagt Weiß, "den wollen wir auch halten."

Deutsche Ausbildung wird immer beliebter

Mit made in Germany, das sieht Wolfgang Weiß Jahr für Jahr in seinen Bilanzen, kann man auf der ganzen Welt gutes Geld verdienen. Neu allerdings ist, dass auch "Trained in Germany" auf dem Weg ist, zu einem globalen Markenzeichen teutonischer Qualität zu avancieren. Minister und Fachdelegationen pilgern derzeit in die Bundesrepublik, um die Symbiose von Berufsschulen und praktischer Lehre in den Betrieben zu studieren. Ein Labsal für all die Verfechter der dualen Ausbildung, die sich lange Zeit von der OECD für die zu magere deutsche Akademikerquote maßregeln lassen mussten.

Geradezu beseelt war jüngst Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen von Ex-US-Präsident Bill Clinton. Der lobte bei einer internationalen Konferenz in Madrid in wenigen Worten, aber sehr kundig das deutsche Ausbildungswesen. Die anwesende Ministerin glühte vor Glück.

Angesichts explodierender Jugendarbeitslosigkeit in einigen EU-Südländern gilt die duale Ausbildung als eines der probatesten Mittel gegen die Jobmisere der heranwachsenden Generation. 5,6 Millionen Europäer zwischen 15 und 24 haben momentan keine Arbeit, der deutsche Arbeitsmarkt hingegen floriert mit weniger als 2,9 Millionen Arbeitslosen. Und die Jugendarbeitslosenquote liegt mit 5,6 Prozent sogar noch unter dem allgemeinen Wert von 6,6 Prozent.

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