Asylverfahren CSU-Innenpolitiker fordert Bundeszuständigkeit für Abschiebungen

Seehofers Asyl-Pläne haben einen entscheidenden Haken: Seine Einflussmöglichkeiten in diesem Bereich sind begrenzt. Das soll sich nun ändern.

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Abgelehnte Asylbewerber werden zum Transport zum Flughafen abgeholt: Die Union will schnelle Asylverfahren und danach zügige Abschiebungen. Quelle: dpa

Berlin Konsequenter abschieben – das will der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) durchsetzen. Seine Pläne dürfte er am heutigen Freitag konkretisieren, wenn er dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg einen Besuch abstattet.

Ein wichtiger Baustein seines „Masterplans“ zu Asylverfahren sind neue Abschiebezentren. Und da soll es nun schnell gehen. Schließlich will die CSU vor der Landtagswahl im Herbst Erfolge vorweisen können. Doch der Teufel steckt im Detail.

Die Probleme, die es dabei zu lösen gilt, liegen teilweise in der Zuständigkeit des SPD-geführten Auswärtigen Amtes, das die Herkunftsländer zur Zusammenarbeit bewegen muss. Die Entscheidung wiederum, welche ausreisepflichtigen Ausländer abgeschoben werden, treffen die Ausländerbehörden der Länder. Das soll sich nach Vorstellung der Union ändern.

So fordert der CSU-Innenexperte Volker Ullrich eine Bundeszuständigkeit für Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Zukünftig verspreche er sich eine Beschleunigung der Verfahren durch die sogenannten Ankerzentren, in denen einmal das gesamte Asylverfahren abgewickelt werden solle. „Dazu braucht der Bund aber eine direkte gesetzliche Zuständigkeit für Rückführungen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt.

Notwendig sei zudem eine stärkere Kooperation mit den jeweiligen Herkunftsländern, notfalls auch mit Druck „in Sachen Papiere und Rücknahme ihrer Staatsbürger“. Ullrich sprach sich überdies dafür aus, die Asylverfahren an den Verwaltungsgerichten „zu straffen, insbesondere im Hinblick auf die Verfahrensdauer“. Darunter leidet die Justiz besonders.

„Die Asylwelle, die zunächst in den Erstaufnahmeeinrichtungen und dann im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgelaufen war, ist jetzt voll bei den Verwaltungsgerichten gelandet“, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter (BDVR), Robert Seegmüller, dem Handelsblatt. Das seien Fälle, die die Asylbehörde Bamf bereits abschlägig entschieden habe.

Schätzungen zufolge klagen zwei von drei abgelehnten Asylbewerbern vor einem Verwaltungsgericht gegen den Bescheid. Dann vergehen weitere Monate, in denen die Klagenden wieder als Asylbewerber geführt werden. Derzeit, so Seegmüller, gebe es etwa 350.000 anhängige asylgerichtliche Verfahren, die abgearbeitet werden müssen. „Ein einzelner Verwaltungsrichter müsste knapp 3.000 Jahre schuften, um alle diese Verfahren abzuarbeiten.“ Denn im Schnitt bearbeiteten die Richter 120 Verfahren pro Jahr.

Erst wenn das Gericht das Nein bestätigt – was in der Mehrzahl der Fälle so ist – ordnen die Ausländerbehörden die Ausreise an. Doch selbst dann findet ein Vollzug oftmals nicht statt. Ausreisepflichtige weigern sich, mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten – „bis hin zu Täuschungshandlungen und Untertauchen“, wie das Innenministerium im vergangenen Jahr erklärte; die Herkunftsstaaten kooperieren ebenfalls häufig nicht bei der Beschaffung von Papieren.

Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker machte sich für eine Entlastung der Justiz stark. „Im Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, zusammen mit den Ländern, die personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte, gerade auch der Verwaltungsgerichte, spürbar zu verbessern“, sagte sie dem Handelsblatt.

Daneben sieht sie auch gesetzlichen Regelungsbedarf im Asylverfahren. „Bisher können sich die Verwaltungsgerichte in vielen Fällen nicht an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung orientieren“, sagte die Bundestagsabgeordnete. „Das bedeutet deutlich mehr Aufwand und die Gefahr, dass die Gerichte unterschiedliche Urteile fällen.“

Im Koalitionsvertrag sei deshalb vereinbart worden, das Prozessrecht mit dem Ziel einer besseren einheitlichen Rechtsprechung zu verändern. „Es muss dabei aber vermiedenen werden, dass zusätzliche Rechtsmittel die Verfahren verlängern und damit gerade der gegenteilige Effekt erzielt wird“, sagte Winkelmeier-Becker.

Der CDU-Rechtsexperte Heribert Hirte sieht angesichts der hohen Zahl der Asylverfahren weiteren Handlungsbedarf. Gerade der individuell ausgestaltete Rechtsschutz von Entscheidungen in Asyl- und Flüchtlingssachen biete „Fehlanreize“, die beseitigt werden müssten, sagte der Vize-Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag dem Handelsblatt. Denn die bisherige Praxis habe sich in den vergangenen Jahren „in weiten Teilen zu einem Geschäftsmodell für die Anwaltschaft entwickelt“.

Hirte plädierte dafür, sämtliche Verwaltungsverfahren auf den Prüfstand zu stellen. Geboten sei eine „Vereinfachung, Entschlackung und Zusammenfassung von Abläufen auch über das bisherige Maß hinaus, zum Beispiel durch Zusammenfassen von Verfahren verschiedener Familienmitglieder“. „Dadurch können insbesondere eine Doppelung von Verfahrenshandlungen, etwa bei der Registrierung, vermieden werden“, sagte der CDU-Politiker.

Außerdem schlug Hirte vor, über „billigere Mittel des kollektiven Rechtsschutzes als Alternative“ nachzudenken. Asylbewerber könnten etwa zur „Teilnahme an Kollektivberatungen über ihre Rechte, aber auch über den Ablauf des Verfahrens einschließlich der Folgen von Falschaussagen oder unterlassener Mitwirkung am Verfahren“ verpflichtet werden.

Einem möglichen Missbrauch von Asylverfahren durch „falsche oder zu wohlwollende Gutachten“ will Hirte durch einen „verstärkten Rückgriff auf Amtsärzte und andere öffentlich-rechtliche Sachverständige oder zumindest eine Gruppe besonders akkreditierter Ärzte“ Vorschub leisten.

Angesichts einer geringen Erfolgsquote bei Widersprüchen in Asyl- und Ausländerangelegenheiten regte der Rechtspolitiker überdies die Aussetzung solcher Widerspruchsverfahren an. Außerdem sprach er sich für die Einführung der „Gerichtskostenpflichtigkeit“ aus, „um die Staatskasse zumindest in der Überzahl der erfolglosen Verfahren von den Kosten zu entlasten“.

Hirte zitierte Schätzungen, wonach der individuelle Rechtsschutz 30 Prozent der Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen ausmache. „Diese Mittel wären besser zur Beseitigung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern oder zur Integration von Flüchtlingen bei uns investiert“, sagte der CDU-Politiker.

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