BAMF-Affäre Seehofer geht in die Offensive

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Jutta Cordt im Fokus

Der Hintergrund: Dank parlamentarischer Anfragen der Linken war es schon seit Jahren bekannt, dass in Bremen überdurchschnittlich viele Asylsuchende einen Schutzstatus erhielten, während etwa Bayern und Sachen weit unter Bundesschnitt lagen, und das obwohl für alle Außenstellen eigentlich die gleichen Regeln gelten. Die Bundesregierung antwortete stets, dass das Zufall sei.

Mittlerweile werden mehrere Außenstellen untersucht, in denen es Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Zwar scheint es in keiner dieser Außenstellen so krasse Verstöße gegeben zu haben wie in Bremen – aber auch hier schuf die mangelnde Aufsicht durch das BMI große Spielräume.

Die BAMF-Chefin verwies auch diesmal wieder auf das neue Qualitätssicherungskonzept aus dem September 2017. Der Personalrat bezichtigt Cordt in diesem Punkt der Lüge. „Ihre Behauptung, seit Ende 2017 sei zwecks ‚Qualitätskontrolle' nun das Vier-Augen-Prinzip erstmals eingeführt worden, ist falsch und setzt die Kolleginnen und Kollegen dem Verdacht aus, bis dahin habe Willkür geherrscht.“ Richtig ist: Es gibt das Vier-Augen-Prinzip seit Mitte 2015, allerdings war den Mitarbeitern damals freigestellt, wie es genau ausgeführt werden soll. Weder war vorgegeben, in welchem Umfang die Entscheide nachgeprüft werden sollten, noch wie diese Prüfung dokumentiert werden sollte. Seit September 2017 sei dies nun klar geregelt, heißt es aus Kreisen des Innenausschusses.

Offen bleiben aber weiterhin einige Fragen. Bereits Mitte 2014 soll es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in Bremen gegeben haben. Zuletzt im Mai 2018 soll sich noch einmal ein Referatsleiter in der BAMF-Zentrale gemeldet haben und auf diese Hinweise von vor vier Jahren verwiesen haben. Warum den Hinweisen damals nicht nachgegangen worden ist, ermittelt man im BAMF jetzt intern – die Ergebnisse sollen in drei Monaten vorliegen. Offen bleibt auch, wann Horst Seehofer von dem Fall Bremen erfahren hat. Dass seine engsten Mitarbeiter Hinweise nicht an ihn herangetragen haben und ein Handywechsel verhindert haben soll, dass er nicht schon im März über den Fall informiert worden sein soll, erscheint hanebüchen.

Erstmals hat sich nun auch die ehemalige Leiterin der Bremer-Außenstelle, Ulrike B., öffentlich zu dem Fall geäußert. Gegenüber der „Bild“-Zeitung sagte sie, ihr sei es stets darum gegangen, Menschen in Not zu helfen und nicht blanke Zahlen zu produzieren. Sie betonte, niemals Geld angenommen zu haben, der Vorwurf der Korruption sei lächerlich. Außerdem erhebt auch Ulrike B. schwere Vorwürfe gegen Jutta Cordt – und deren Vorgänger Frank-Jürgen Weise. Mit dem Amtsantritt Weises sei es nicht mehr um die menschlichen Schicksale gegangen, sondern nur noch um Fallzahlen und Bearbeitungszeiten. Dass sei mit den vorhandenen Mitarbeiterzahlen aber nicht ordnungsgemäß möglich gewesen. Auch unter Weises Nachfolgerin Jutta Cordt habe sich daran nichts geändert – obwohl Cordt von dem Systemversagen wusste.

Ob Ulrike B. sich schuldig gemacht hat oder nicht, muss die Staatsanwaltschaft herausfinden. Fest steht: Der Stuhl von Jutta Cordt wackelt gewaltig.

Die Akteure in der BAMF-Affäre
Ein Blick auf das Gebäude der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Bremen. Quelle: dpa
Bundesinnenminister Horst Seehofer Quelle: dpa
Jutta Cordt, Chefin des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ist auf dem Weg zu einem Krisengespräch im Gebäude des Senator für Inneres Bremen. Quelle: dpa
Bremen: Das Schild an der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Quelle: dpa
Josefa Schmid (FDP), Bürgermeisterin von Kollnburg Quelle: Kollnburg
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Stephan Mayer (CSU) Quelle: dpa
Thomas de Maizière (CDU) war in der vergangenen Legislaturperiode Bundesinnenminister. Quelle: dpa
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