Der blaublütige Adel war für den Menschen immer sehr leicht zu erkennen. Wer adlig ist, das sah der dümmste Bürger auf Anhieb, allein schon dann, wenn er seine Baskenmütze mit dem edlen Krönchen des Feudalen verglich. Und auch der ganze Mensch zwischen Fußsohle und Fontanelle unterschied sich so sehr, dass die einen wirkten, als hätten sie feines blaues Blut, während die anderen in runzeliger und vom Wetter und Arbeit gegerbter Haut ihr Leben fristeten.
Heute bieten Aldi und Co. einen Kosmetikstandard, von dem Ludwig XIV. nicht einmal zu träumen wagte. Der immerhin hatte als eine quasi Ein-Mann-Minderheit das schöne Frankreich majorisiert und damals noch faktisch zu recht gesagt: Der Staat bin ich - „L’État c’est moi“.
Auch wenn die Hollywoodstars heute noch immer etwas mehr hermachen als der Durchschnittsbürger, den Adel im eigentlichen Sinn gibt es nur noch pro forma und er spielt mindestens hierzulande keine unterdrückende oder sonst negativ zu bewertende Rolle mehr. Stattdessen nimmt er - ganz Noblesse - oft genug nützliche oder gemeinnützige Funktionen wahr. Und hier und da wird auch noch ein bisschen Jetsetleben mit dem hauseigenen Tafelsilber verbunden. Wenn es Stil hat, ist das ja auch ok.
Wer denkt, jetzt seien alle Probleme gelöst, der Adel ist entmachtet, wir leben in einer Demokratie, alles ist gut und jetzt bräuchte man sich nur noch genussvoll dem Schutz der unterdrückten Minderheiten zu widmen, hat sich allerdings gewaltig getäuscht. Denn längst gibt es neue, andere, oft versteckte Minderheiten, die diese Gesellschaft ganz unmerklich in den Würgegriff genommen haben. Unterdrückte Minderheiten schießen wie Pilze aus dem Boden und so kommt es, dass sich inzwischen sogar eine Mehrzahl der Bundesbürger wie es im einschlägigen Antidiskriminierungsgesetz heißt im Hinblick auf verschiedene "Merkmale" als Minderheit unterdrückt fühlen darf.
Der Fetisch Minderheitenschutz hat diese Gesellschaft fest im Würgegriff und die allgemeine Konfusion hat ein Ausmaß erreicht, dass die Menschen den Durchblick und damit auch das Koordinatenkreuz verloren haben. Es herrscht eine pervertierte Form des per se legitim klingenden Grundgedankens, dass kleinere Gruppen von Menschen, manchmal sogar einzelne Personen, sich also von der Mehrheit unterscheiden und deshalb nicht benachteiligt werden sollten.