Bevölkerung Der große Demografie-Bluff

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Enttäuschte Hoffnungen

Was Kinder mit ihrem Taschengeld machen
Stolze 27 Euro haben Deutschlands Kinder im Durchschnitt monatlich in der Tasche. Was tun sie damit? Und was treiben sie sonst in ihrer Freizeit am liebsten? Seit 20 Jahren erlaubt die Kids-Verbraucher-Analyse des Egmont Ehapa Verlages repräsentative Einblicke in das Konsum- und Medienverhalten des Nachwuchses. Quelle: dpa
Ein Fazit der Studie: Der Einfluss der Kinder als Wirtschaftskraft ist groß. „Rechnet man allein das Taschengeld und die Geldgeschenke der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren zusammen, so stehen dieser Gruppe 2012 insgesamt 2,87 Milliarden Euro zur Verfügung“, sagte Studienleiter Ralf Bauer am Dienstag. Im Folgenden finden Sie einige Einzelaspekte der Analyse. Quelle: dpa
Nach wie vor sind Bücher und Zeitschriften bei den 6- bis 13-Jährigen gefragt. Konstant über 90 Prozent schmökern zumindest ab und an in Print-Produkten, in Zeitschriften etwas öfter als in Büchern. Über einen Computerzugang verfügen vier von fünf Kindern ab 6 Jahren, drei Viertel nutzen auch das Internet. In der Hauptsache werden dabei Schul-Infos gesammelt (82 Prozent), aber kostenlose Online-Spiele und das Sammeln von Freizeit-Infos sind ebenfalls beliebt (73 und 72 Prozent). Allerdings ist kaum jemand bereit, Geld für Online-Spiele auszugeben. Eltern gestatten zumeist nur bei Lernprogrammen eine Ausnahme. Quelle: Handelsblatt Online
Smartphones und vor allem Tablet-Computer spielen noch keine dominante Rolle bei den Jüngeren. Die Kinder haben darauf in aller Regel nur Zugriff, wenn sie die Geräte der Eltern nutzen dürfen. Allerdings besitzt bereits immerhin ein Fünftel der Kinder zwischen 10 und 13 ein Smartphone. Quelle: dpa
Im Freizeitverhalten unterscheiden sich Jungen und Mädchen deutlich: Die Jungen sind elektronischen Medien besonders zugetan und zählen Computer, Internet und Spielekonsolen zu ihren Top 10 – allerdings auf den hinteren Rängen. Weit vorn liegen bei den Hobbys liegen Freunde treffen und Fernsehen, gefolgt von diversen Sportaktivitäten. Quelle: dapd
Auch bei den Mädchen liegen FreundInnen und Fernsehen an der Spitze, gefolgt von Musik hören, Radfahren und Bücher lesen. Computer und Internet tauchen 2012 erstmals in der Mädchen-Top 10 auf, nämlich auf Platz 8 und 10. Quelle: dpa
Marken scheinen nach der rückläufigen Tendenz der vergangenen Jahre wieder eine größere Rolle für den Nachwuchs zu spielen. Vor allem bei gut sichtbaren Dingen wie Sportschuhen, (Schul-)Taschen und sonstigen Kleidungsstücken und Accessoires, aber auch beim Handy ist die „richtige“ Marke für mehr als die Hälfte der Kinder wichtig. Quelle: dpa

Der entscheidende Grund dürfte aber vor allem die weitverbreitete Ansicht sein, dass die Fruchtbarkeit der Bürger durch familienpolitische Maßnahmen ohnehin kaum beeinflussbar ist. „Wir mussten bescheidener werden nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre“, sagt Krings. „Es wäre unredlich, wenn wir behaupteten, wir könnten durch politisches Handeln wieder zu einer Geburtenrate von mehr als zwei Kindern im Durchschnitt pro Frau kommen.“ Tatsächlich wurde manche Hoffnung bitter enttäuscht. Die von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen im Herbst 2006 angekündigte „bevölkerungsorientierte Familienpolitik“ ist mittlerweile ad acta gelegt. Denn ihr Lieblingsprojekt, das Elterngeld, konnte die Geburtenzahl vermutlich kaum steigern. Mittlerweile bestreitet auch ihre Nachfolgerin Kristina Schröder, dass dies jemals das Ziel des Elterngeldes gewesen sei. Im Gesetzestext blieb es – vorsorglich – unerwähnt.

Ist also tatsächlich Resignation angebracht? Nein. Die Politik könnte durchaus etwas bewirken, da sind sich die meisten Experten einig. Die „Arbeitsgruppe Zukunft mit Kindern“ der Leopoldina und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stellt fest, „dass die Verbesserung von Infrastrukturangeboten und die Erhöhung von Geldleistungen die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für Kinder erhöhen können.“ Allerdings seien diese Zusammenhänge „äußerst komplex“. Im Klartext: Nur an einer Stellschraube zu drehen, also etwa das Elterngeld einzuführen oder das Kindergeld zu erhöhen, reicht nicht.

Wirtschaftspolitik ist demografisch entscheidend

„Es gibt wirksame Instrumente für eine Demografiepolitik mit demokratischen Zielen und Mitteln“, sagt Herwig Birg. Aber bisher habe das eben noch keine deutsche Nachkriegsregierung ernsthaft und konsequent versucht. Dabei habe Deutschland sogar das Potential für eine der höchsten Geburtenraten in Europa. Aber nicht die klassische Familienpolitik, sondern Wirtschafts- und Sozialpolitik seien die entscheidenden Hebel, sagt Birg. Er schlägt zum Beispiel vor, Eltern bei der Besetzung von Arbeitsplätzen bei gleicher Eignung zu bevorzugen.

Für Birg die wichtigste und längst überfällige Maßnahme: „Vor allem müssten die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Reform der Sozialversicherung angemessen umgesetzt werden.“ Von diesen seit Jahren politisch ignorierten Urteilen ist bezeichnenderweise in der Demografiestrategie überhaupt keine Rede. Die entsprechenden Forderungen des „Aktionsbündnis Familie“, die Kindererziehung als gleichwertige Beitragsleistung in die Rentenversicherung einfließen zu lassen, bleiben bislang völlig wirkungslos. Und das obwohl dadurch ein vom Bundesverfassungsgericht festgestelltes Unrecht beseitigt würde. Ebenso unerfüllt bleibt die durch das „Pflegeversicherungsurteil“ von 1990 gestützte Forderung, das steuer- und sozialabgabenfrei gestellte Existenzminimum pro Kind und pro Jahr von 7008 Euro an das von Erwachsenen anzupassen (8.004 Euro).

An konstruktiven Vorschlägen für eine demografiebewusste Politik mangelt es wahrlich nicht – auch wenn man beim Lesen der Demografiestrategie diesen Eindruck gewinnen könnte. Der Deutsche Familienverband fordert etwa einen „Solidaritätsfonds demografischer Wandel“, in den alle noch verfügbaren Überschüsse der Krankenkassen und Sozialversicherungen einfließen. Diese Mittel sollten dann in den Kommunen für Kinderbetreuungsangebote und andere kinderfreundliche Maßnahmen eingesetzt werden.

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