Wird in Ihrem Unternehmen noch gearbeitet? So richtig gearbeitet, im Sinne von: etwas produziert? Wie viel Prozent unserer Zeit bleibt dafür noch? Wir sammeln Daten, wir füllen Fragebögen aus, verfolgen Lieferketten, erfassen Arbeitszeiten, studieren Normen und lassen uns schulen in Cybersecurity, in Gesundheit im Betrieb, Feuerbekämpfung und Diversity, Umweltschutz und Whistleblowing, in Sicherheit am Arbeitsplatz (die Programme des TÜV dazu sind der reine Hohn: Wozu muss ich als Büromensch ankreuzen, dass ich unter keiner Leiter durchgehen darf?).
Wir definieren Performanceindikatoren (KPIs), Ziele und Schlüsselergebnisse (OKRs), wir melden an Handelskammern und Statistikämter, wir ordnen zu, sammeln, verteilen – und stellen Meetings in Outlook ein. Alles für sich genommen Dinge, deren Sinn sich hervorragend begründen lässt, die aber in Summe die Wirtschaft killen. Zum Teil sind die Unternehmen selbst schuld daran, zu einem guten Teil aber kommt der Bullshit vom Staat, aus Berlin und Brüssel. Politiker geben vor, das Problem erkannt zu haben, Bürokratieabbau ist das Thema der Stunde.
Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, hat gerade angekündigt, sie wolle die Unternehmen von Berichtspflichten entlasten, um ein Viertel, mindestens. Ihre Beamten wussten davon nur leider noch nichts. Jetzt müssen sie hektisch nach lästigen Pflichten suchen, denen Unternehmen dann künftig nicht mehr nachkommen sollen. Das riecht nach purer Verzweiflung, sind diese doch eher gewohnt, neue Vorschriften zu erfinden. Und kommen dabei gut voran.
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Das neueste Bürokratie-Baby ist die Verordnung für Nachhaltigkeitsstandards, mit der die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung konkretisiert wird. Berichten sollen Unternehmen unter anderem über die Work-Life-Balance ihrer eigenen Mitarbeiter und später auch der Mitarbeiter ihrer Lieferanten, zu „angemessener“ Entlohnung und dem Alter ihrer Beschäftigten.
Geht Sie nichts an? Von wegen. In der Pflicht stehen alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Sie sollen jeweils künftig rund 1000 Informationen nach Brüssel liefern. Bei 15.000 Unternehmen sind das 15 Millionen Datensätze allein aus Deutschland. Um die alle auszuwerten, muss Brüssel vermutlich viele weitere Stellen schaffen. Und auch in den Unternehmen werden sich wieder ein paar mehr Menschen mit Dingen beschäftigen müssen, die so gar nichts zu tun haben mit der Produktion von Autos, Software oder Zeitungsartikeln.
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