Bundeswehr Nach rechtsextremen Vorfällen: AKK setzt Chef des militärischen Abschirmdienstes ab

Im verschleppten Kampf gegen Rechtsextremismus sucht die Verteidigungsministerin einen personellen Neubeginn. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

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Gramm war seit 2015 Präsident des Militärischen Abschirmdienstes. Quelle: dpa

Politischer Paukenschlag im Kampf gegen Rechtsextremismus in der Truppe: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat den Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, von Oktober an von seinen Aufgaben entbunden. Gramm werde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, teilte das Verteidigungsministerium am Donnerstag in Berlin mit.

Die Ministerin würdigte demnach die von Gramm eingeleiteten Reformen zum Vorgehen gegen Rechtsextremisten in der Bundeswehr. Beide seien sich aber einig, dass die jetzt anstehende weitere Umsetzung einen neuen Abschnitt markiere, „der zusätzliche Anstrengungen und Dynamik erfordert“. „Dieser neue Abschnitt soll auch personell sichtbar gemacht werden“, teilte das Ministerium mit.

Das Verteidigungsministerium hatte am Donnerstag unerwartet die Obleute im Bundestag über den Schritt informiert. Der Jurist Gramm war seit 2015 Präsident des MAD. Nach rechtsextremen Vorfällen hatte er einige Reformen angestoßen, darunter die „Farbenlehre“ – eine Ampel, die bei der Einstufung hilft.

Grundproblem: Bewertungen des MAD zu Extremismusfällen müssen im Fall von Entlassungen vor Gerichten bestehen können. Kritik gab es, weil lange zu wenig gegen das Problem unternommen worden sei.

Im Kampf gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr komme dem MAD eine herausragende Rolle zu, erklärte das Verteidigungsministerium dazu. Extremistische Tendenzen müssten frühzeitig erkannt werden, handelnde Personen und mögliche Netzwerkstrukturen seien „vollständig zu identifizieren und aufzudecken“. Dafür werde der MAD konsequent modernisiert und weiterentwickelt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden soll ausgebaut werden.

Die von Oktober 2019 an eingeleiteten Reformen des MAD zeigten nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums Ergebnisse. So war nach Ermittlungstätigkeiten des MAD im Garten eines Kommandosoldaten ein Waffenversteck gefunden worden. Der Fall markierte einen weiteren Höhepunkt von Vorfällen in der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte, die inzwischen auf dem Prüfstand steht.

Gramms Beurlaubung „eine unausweichliche Konsequenz“

Aus dem parlamentarischen Raum gab es die erste Reaktion auf die Ablösung Gramms aus der Linken. „Es bleibt zu klären, ob der MAD-Präsident eher eine Hürde als eine Hilfe bei der Reform des MAD darstellte oder ob er ein Bauernopfer ist, um Reformbemühungen der Ministerin vorzutäuschen“, sagte der Verteidigungspolitiker Alexander Neu.

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte: „Nach den Erkenntnissen der letzten Monate ist das eine unausweichliche Konsequenz.“ Das ändere aber nichts an der persönlichen Integrität von Christof Gramm, fügte er hinzu.

Im MAD habe es zuletzt Verbesserungen gegeben, „die hat er auch mit auf den Weg gebracht“. Dennoch seien die Probleme in der Behörde so gravierend, „dass ein personeller Neuanfang auch eine Chance sein kann.“

Wichtig sei jetzt eine schnelle Neubesetzung – „hier darf es keine Hängepartie geben“, so von Notz.

Führungsspitze sei nicht ausreichend gegen Rechtsextremismus in der Truppe vorgegangen

Wer Gramms Nachfolger werden könnte, ist noch nicht bekannt. Der Reformdruck auf die Behörde hatte in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Der MAD-Spitze wurde unter anderem vorgeworfen, sie habe die ihr zur Verfügung stehenden nachrichtendienstlichen Mittel wie Observation oder das Sammeln von Informationen über sogenannte V-Leute nicht ausreichend genutzt, um Rechtsextremisten in der Truppe zu enttarnen.

Ein bislang noch unveröffentlichter Bericht des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums hat dem Vernehmen nach weitere strukturelle Schwächen offenbart.

Der Reformdruck sei zuletzt nicht nur für Gramm, sondern auch für die Mitarbeiter der Behörde insgesamt eine Belastung gewesen, heißt es.

Dass einige Politiker der SPD dem MAD letztlich nicht hundertprozentig vertrauen, wurde nach Auskunft von Innenpolitikern auch deutlich, als in den vergangenen Wochen darüber gestritten wurde, ob die Kölner Behörde künftig vollen Zugriff auf das vom Verfassungsschutz genutzte Informationssystem erhalten soll.

Mehr: Verteidigungsministerium muss länger auf neue Boote warten

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