Container statt Kohle Warum Duisburg uneingeschränkt zur Partnerschaft mit China steht

Auch auf der Kohleinsel im Duisburger Hafen ist die alte Industriewelt längst nicht mehr intakt. Quelle: imago images

Die Kohleinsel im Duisburger Hafen ist eines der letzten Bergbau-Relikte im Ruhrgebiet. In wenigen Wochen beginnt auch hier der Strukturwandel. Dann startet der Bau eines Bahnterminals für Container aus China. Teil 10 unserer Serie zur Wahl: Zugreise durch eine unterschätzte Republik.

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Dieser Artikel ist Teil unserer Serie zur Bundestagswahl 2021. Wir folgen der längsten IC-Strecke Deutschlands – vom Südwesten bis in den Nordosten. Nächster Halt: Aufbruch – Fahrt durch eine unterschätzte Republik

Aus der Luft sieht das Ruhrgebiet hier noch fast so aus, wie es sich als Klischee ins bundesdeutsche Gedächtnis eingebrannt hat: Kohle, so weit das Auge reicht. Dabei ist auch auf der Kohleinsel im Duisburger Hafen die alte Industriewelt längst nicht mehr intakt. Einst wurde von hier die Kohle aus den Flözen zwischen Ruhr und Emscher in alle Welt verschickt, später dann die Kohle umgeschlagen, die aus Australien oder Polen ankam, um die Kraftwerke der Region zu befeuern. Doch die Energiewende macht selbst dieses Geschäft schwieriger, zuletzt war kaum noch die Hälfte des auf zehn Millionen Tonnen Kohle im Jahr ausgelegten Terminals in Betrieb.

Und so ist die Empörung ausgeblieben, als die Hafengesellschaft Duisport vor ein paar Jahren mitteilte, die Kohle Kohle sein zu lassen und auf der Halbinsel stattdessen ein Containerterminal zu eröffnen. Die ausbleibende Reaktion dürfte ihre Ursache auch darin haben, dass die Ankündigung mit einem Wort verbunden wurde, das in Duisburg längst zur Zauberformel geworden ist: China.

„Die Verbindung zu China ist mit Abstand die größte wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre“, sagt Markus Teuber, ehemals Generalbevollmächtigter von Duisport und heute China-Beauftragter der Stadt. Allein sein Titel zeigt, welche Bedeutung die Verbindung für die Stadt hat, die inzwischen sogar ein eigenes China-Referat unterhält. Duisburg ist mit seiner Arbeitslosenquote von knapp 13 Prozent selbst für Ruhrgebietsverhältnisse besonders strukturschwach, entsprechend rar sind die guten Nachrichten hier gesät. Für die Verbindung nach Fernost aber gilt das Gegenteil: Seit es die gibt, geht es immer nur bergauf.

Den Anfang nahm die rheinisch-chinesische Erfolgsgeschichte vor exakt zehn Jahren. Der Begriff „Neue Seidenstraße“ war damals nur Insidern bekannt und selbst von denen hielten nicht wenige das Projekt für einen publikumswirksamen Bluff der chinesischen Staatsführung. In Duisburg aber zeigte sich schnell, wie ernst die Chinesen es meinten. 2011 war der erste Zug zwischen der Stadt und Chongqing verkehrt, danach wurden es stetig mehr.

Bis zu 60 Züge kommen inzwischen pro Woche aus China in Duisburg an, das entspricht der Hälfte aller Verbindungen, die zwischen China und Europa insgesamt unterhalten werden. Es ist daher nicht vermessen, wenn Teuber den Hafen als die „Drehscheibe für den Schienentransport zwischen China und Europa“ bezeichnet, schließlich starten von hier Züge in rund 100 andere Destinationen auf dem Kontinent. Nach Wien, Rotterdam und Norditalien gibt es gar tägliche Verbindungen. Und die Bedeutung dürfte bald wachsen.

Zwölf Gleise, sechs Kräne

Auf den Karten, die bis vor Kurzem zur Einsicht im Duisburger Rathaus auslagen, ist die Kohleinsel in rote und grüne Abschnitte aufgeteilt. „1. und 2. Bauabschnitt“ ist darauf zu lesen. Wo jetzt Kohle lagert, sollen sich bald Container stapeln. Die ehemaligen Lagerhäuser und Büros sind bereits abgerissen, noch für diese Jahr ist der Baubeginn des „Duisburg Gateway Terminal“ geplant. Zwölf Gleise und sechs Kräne sind angedacht. Große Seecontainer aus Rotterdam sollen auf den Binnenschiffen eintreffen und dann über die Schiene im ganzen Land verteilt werden.

Nächster Halt: Aufbruch

Fahrt durch eine unterschätzte Republik

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Vor allem aus China sollen die Container kommen. Es wird das „größte Hinterlandterminal Europas“, 2023 soll der Betrieb beginnen, für gute Auslastung dürfte schon die chinesische Reederei Cosco sorgen, die mit 30 Prozent an der Betreibergesellschaft beteiligt ist. Welche Dimensionen das Projekt haben wird, zeigt sich auch entlang des Rheins, wo derzeit neue Liegeplätze für Containerschiffe entstehen, um einen Stau auf dem Fluss zu vermeiden.

Doch es sind nicht nur Rekordmeldungen, wegen der man sich im Duisburger Rathaus uneingeschränkt zur Partnerschaft mit China bekennt. „Der chinesische Einfluss ist längst in der Stadt spürbar“, sagt Teuber. An der örtlichen Universität sind rund 2000 chinesische Studenten eingeschrieben, ihr Zentrum befindet sich im Duisburger Stadtteil Neudorf, asiatischer Supermarkt und Bubble-Tea-Geschäft inklusive.

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Nur in einer Hinsicht sieht Teuber Nachholbedarf: „Es wäre schön, wenn aus den Ansiedlungen chinesischer Unternehmen nun auch noch mehr neue Arbeitsplätze entstünden.“ Als beispielhaften Fall sieht er dabei das Unternehmen NGC, einen Hersteller von Getrieben für Windkraftanlagen. Der hat seit 2015 in Duisburg seinen europäischen Sitz, von dem die Anlagen auf dem gesamten Kontinent betreut werden. Das aber ist die Ausnahme geblieben. Zwar haben sich inzwischen mehr als 100 chinesische Unternehmen in der Stadt niedergelassen, sie beschäftigen aber nur etwa 1000 Mitarbeiter.

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