Corona-Beschlüsse Impfpflicht durch die Hintertür

Für Freizeitangebote soll spätestens ab 23. August grundsätzlich gelten: Nur Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete haben Zutritt. Quelle: dpa

Weder Bund noch Länder wollen die Bürger vor der Wahl zur Impfung zwingen – aber der finanzielle Druck wächst. Zu Recht, denn die Minderheit der Impfgegner gefährdet das Allgemeinwohl. Ein Kommentar.

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Viel Geld für die Flutopfer und wenig Zwang für die Impfskeptiker – so könnte man den Bund-Länder-Gipfel zusammenfassen. Unter dem Eindruck der gerade anlaufenden heißen Wahlkampfphase haben sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten taktisch verhalten: Einerseits entschieden sie sich für maximale Großzügigkeit und andererseits für höchste Vorsicht.

Beim Bundeszuschuss für die Flutopfer hat Merkel die Forderungen der betroffenen Landeschefs Armin Laschet aus NRW (CDU) und Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz (SPD) vollständig erfüllt. Kanzlerkandidat Laschet hatte im Vorfeld eine Hilfe von 30 Milliarden Euro gefordert – und jetzt auch erhalten. Am Geld, so die Botschaft – soll es nicht mangeln, auch wenn die finanzielle Hilfe die Katastrophe für die Betroffenen nicht ungeschehen machen kann. Niemand soll aber angesichts der Opfer und des Elends in den betroffenen Gebieten der Politik nachsagen können, dass sie sich in der Not knausrig verhalte.



Angst vor Mobilisierungsthema Impfpflicht

Das weitaus kompliziertere Thema dieser erneuten Bund-Länder-Runde am Dienstag war jedoch die Frage, wie man die deutlich nachlassende Impfbereitschaft der Bevölkerung erhöht, ohne einen gesetzlichen Zwang durchzusetzen. Die Massenproteste, die in Frankreich und anderen Ländern gegen verpflichtende Impfungen stattgefunden haben, sind den deutschen Politikern Mahnung genug. Wer will schon riskieren, dass der Rest des Bundestagswahlkampfs vom Thema Impfzwang dominiert wird – zumal dadurch den Impfskeptikern der AfD und den so genannten „Querdenkern“ sowie zahlreichen anderen obskuren Gruppen mit Hang zu Verschwörungstheorien nur unnötig Auftrieb gegeben würde.

Andererseits sind die wieder rasant steigenden Infektionszahlen Anlass genug, die Daumenschrauben etwas fester zu ziehen. Nur 55 Prozent der Deutschen sind vollständig geimpft – obwohl inzwischen jeder ein Vakzin erhalten kann. Das ist viel zu wenig angesichts immer neuer Mutationen und erneut drohenden Zwangsmaßnahmen, unter denen der ohnehin schon darbende Einzelhandel und die Gastronomie leiden.

Wenn man nach der ähnlich verlaufenden Kurve im Sommer vergangenen Jahres jetzt zum Herbst wieder im Lockdown oder im Homeschooling landen würde, wäre das für die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD ein herber Rückschlag. Die Tatsache, dass der Bund sich die alleinige Entscheidungsgewalt für Notmaßnahmen mit dem gestrigen Beschluss erneut von den Ländern zusichern ließ, zeigt, dass im Kanzleramt mit dem Schlimmsten gerechnet wird.

Finanziellen Druck erhöhen

Insofern ist es konsequent, die Impfskeptiker mit finanziellem Druck zum Nachdenken und Nachgeben zu drängen. Wer weder genesen noch vollständig geimpft ist, wird es ab Oktober schwer haben, in Restaurants, Hotels oder Konzerte zu gehen oder einfach in ein Flugzeug zu steigen. Es sei denn, man lässt sich auf eigene Kosten mehrfach wöchentlich testen. Bei Preisen bis zu 30 Euro pro Test wird sich dann mancher wohl umstimmen lassen – wenn auch nur widerwillig.

Im Endeffekt zählen aber nur Zahlen. Erst ab 70 bis 80 Prozent Impfquote lässt sich die Verbreitung des Virus aufhalten – und das hat nun einmal Priorität. Der Steuerzahler muss nicht für jene einstehen, die durch ihr Verhalten andere gefährden und darüber hinaus zu Mitverursachern enormer wirtschaftlicher Schäden werden.

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Der finanzielle Druck auf Ungeimpfte wird aber nicht die einzige Maßnahme bleiben. Man kann getrost davon ausgehen, dass nach der Wahl eine neue Bundesregierung die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht gegen das Coronavirus mit dem Ziel prüfen wird, diese auch umzusetzen. Je nach Entwicklung der Pandemie wird ihr auch kaum etwas anders übrigbleiben.

Mehr zum Thema: Österreich hat es vorgemacht. Nun sollen die drei „Gs“ – geimpft, genesen, getestet – auch ins Zentrum der deutschen Corona-Pläne rücken. Doch die Erfahrungen aus dem Nachbarland mahnen zur Vorsicht.

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