Coronahilfen Peter Altmaier entdeckt seinen Kampfgeist

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier durchlebt – mal wieder – wilde Tage. Quelle: dpa

Eben noch von Friedrich Merz bedrängt, nun schon wieder obenauf beim digitalen Weltwirtschaftsforum: Der Bundeswirtschaftsminister durchlebt – mal wieder – wilde Tage. Aber er ist in der Offensive.

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Peter Altmaier (CDU) ist ein höflicher Mensch, in aller Regel sehr diplomatisch und im Übrigen ein ausgesprochener Gegner rhetorischer Eskalation. Um herauszuhören, falls er doch einmal wirklich sauer oder genervt oder beides sein sollte, muss man schon sehr genau lauschen. Sonst bemerkt man es kaum. Wann immer also der Bundeswirtschaftsminister sich in den vergangenen Monaten und Wochen über seinen Koalitionspartner und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geärgert hat – und ja, doch, das eine oder andere Mal kam das vor -, Altmaier wusste seine Gefühlsregungen hinter ausschweifenden Wortbeiträgen zu verstecken.

Dabei hatte es der Saarländer nicht gerade leicht mit Scholz. Die demonstrative Einigkeit, mit der die beiden im März vergangenen Jahres ihre Bazooka-Rettungsprogramme für die deutsche Wirtschaft präsentierten, ist dafür zuletzt doch zu häufig getestet worden. Nicht immer fiel dieser Test gut für die beiden aus.

Nun ist Altmaier durchaus kein Feind des Geldausgebens, und überhaupt spielte der traditionelle Graben zwischen eher staatsinterventionistischen Sozialdemokraten und Schwarze-Null-Konservativen bei der Coronabekämpfung keine Rolle. Dass dies nicht die Zeit des Sparens ist, war sehr früh allen klar. Mit jedem Monat der Pandemie, neuerlichen Lockdowns und Beschränkungen entwickelte sich jedoch eine andere Streitfrage: Wie geben wir das viele Geld aus und wofür genau?

Womit wir wieder beim höflichen Wirtschaftsminister wären. Denn spätestens bei den Novemberhilfen (die später noch zu Dezemberhilfen wurden) hätte Altmaier durchaus Anlass gehabt, seinen Dissens mit Scholz einmal laut und deutlich zu markieren. Die dort gewählte Umsatzerstattung wollte Scholz‘ Ressort, sie bedeutete aber eine Abkehr von der bisherigen Politik und sie machte das bestehende Hilfssystem plötzlich korrekturbedürftig. Hinzukam: Ein vom Bundeswirtschaftsministerium (und der Union insgesamt) favorisiertes Instrument wie der steuerliche Verlustrücktrag wurde gleichzeitig von Scholz‘ Ressort nur in vergleichsweise kleinem Ausmaß akzeptiert. Hilfst Du mir, helf‘ ich Dir? Nicht wirklich.

Peter Altmaier trug all diese Wendungen trotzdem nach außen hin loyal mit, hier und dort hat er Scholz sogar weiter tapfer verteidigt. Selbst dann noch, als die massive und breite Kritik an den daraus folgenden wochenlangen Auszahlungsschwierigkeiten der neu justierten Hilfen fast komplett mit ihm nach Hause ging. Man fühlte sich fast an die Zeit der Industriepolitik-Agenda erinnert, als Altmaier von manchem Verbandsboss die Eignung fürs Amt abgesprochen wurde. Die jüngste Krönung: Friedrich Merz‘ Versuch, sich als CDU-Wahlverlierer mal eben ins Ludwig-Erhard-Amt zu putschen.

In dieser Kurzzeitaufregung ging allerdings fast unter, dass Altmaier – jedenfalls aus seiner Sicht – gerade einen großen Erfolg verbuchen konnte. Offenbar hat sich er einen alten Politiklehrsatz zu Herzen genommen: Handle – oder Du wirst behandelt. Er kämpft, aber er kämpft eben auf seine Art: eher still und diplomatisch. Jedenfalls gehen die jüngsten Änderungen an der Überbrückungshilfe III, die für die kommenden Monate das wichtigste Hilfsprogramm des Bundes für notleidende Unternehmen bilden soll, auf die Initiative seines Hauses zurück. Sie soll nun gleichzeitig einfacher und umfangreicher ausfallen, das mittelschwere Desaster von November und Dezember vergessen machen. Es ist eine bitternötige Kehrtwende.

Den Vorstoß hatte Altmaier über die Medien lanciert, dann aber binnen weniger Tage mit dem Finanzressort ausverhandelt. Jetzt widerspricht er natürlich nicht, wenn in der Hauptstadt darüber geredet wird, dass die Überbrückungshilfe immer schon das Mittel seiner Wahl war. Freunde Altmaiers setzen außerdem darauf, dass das Auslaufen der November- und Dezemberhilfen ohnehin für sich spricht.

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Zusammen mit der beruhigenden Erkenntnis, dass Angela Merkel lieber heute ihren vorzeitigen Rücktritt erklären würde als ihrem Erzfeind Merz ins Kabinett zu holen, sitzt Altmaier nun also plötzlich wieder ganz komfortabel in seinem Sessel. Heute kann sein wiedergewonnenes Standing bei einem Termin feiern, der so ganz nach seinem Geschmack ist: Am Abend trifft er mit seinem Freund und französischen Amtskollegen Bruno Le Maire, EZB-Chefin Christine Lagarde und VW-Boss Herbert Diess beim digitalen Weltwirtschaftsforum zusammen. Das Thema: Neues Wachstum. Er hat die Bühne. Und Olaf Scholz mal Pause.

Mehr zum Thema: Die Bundesregierung genoss über viele Monate hinweg das mehrheitliche Vertrauen der Bürger. Doch es droht zu schwinden – und die Gründe dafür sind offensichtlich.

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