Coronavirus in Deutschland Behörden suchen intensiv nach weiteren Infizierten – NRW will derzeit keine Ortschaften abriegeln

In Deutschland gibt es mindestens zehn neue Coronavirus-Fälle. In NRW muss eine ganze Karnevalsgesellschaft in Quarantäne. Die Bundesregierung richtet einen Krisenstab ein.

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Alle Besucher der Karnevalsveranstaltung und ihre Familien müssten für 14 Tage in häusliche Quarantäne. Quelle: dpa

Nach mindestens zehn neuen Coronavirus-Nachweisen in Deutschland erwarten Experten weitere Fälle von Sars-CoV-2. In mehreren Bundesländern wird intensiv nach möglichen Infizierten gesucht.

„Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie in Deutschland“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwochabend in Berlin. „Die Infektionsketten sind teilweise - und das ist die neue Qualität - nicht nachzuvollziehen.“ Er komme „immer mehr zu der Überzeugung, die Wahrscheinlichkeit, dass diese Epidemie an Deutschland vorbeigeht, wird sich nicht erfüllen und nicht ergeben“, sagte der CDU-Politiker.

In Nordrhein-Westfalen, wo bis Donnerstagmorgen fünf Fälle bekannt waren, suchen die Behörden nun mit größeren Aktionen nach möglichen weiteren Infizierten. In Gangelt im Kreis Heinsberg sind die rund 300 Besucher einer Karnevalsveranstaltung aufgerufen, sich bei den Behörden zu melden. Alle Besucher und ihre Familien müssten für 14 Tage in häusliche Quarantäne gehen, teilte das NRW-Gesundheitsministerium in der Nacht zum Donnerstag mit. In Mönchengladbach läuft am Krankenhaus Maria Hilf die Suche nach Menschen, die Kontakt zu einem mit dem Coronavirus infizierten Arzt hatten.

In Baden-Württemberg halten die Gesundheitsbehörden Familie, Freunde und Kollegen von vier Infizierten im Blick. Auch bei einem infizierten Soldaten, der im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz behandelt wird und am Militärflughafen Köln-Wahn stationiert ist, suchen die Behörden nach Kontaktpersonen.

Die Fälle in Nordrhein-Westfalen hängen laut den Behörden zusammen. Zunächst waren Infektionen bei einem Ehepaar aus Gangelt bekanntgeworden, das im Moment an der Uniklinik Düsseldorf behandelt wird – eine Kindergärtnerin und ihr Mann, der sich in kritischem Zustand befindet.

Das Paar hätte nach der eigenen Infektion bis zu 14 Tage am gesellschaftlichen Leben teilgenommen, hieß es. Unklar war, wo sich die Eheleute infiziert haben. Am Mittwochabend wurde bekannt, dass eine Mitarbeiterin des Mannes und deren Lebensgefährte ebenfalls infiziert sind.

Der Soldat vom Flughafen in Köln-Wahn hatte laut der Bundeswehr beim Karneval Kontakt zu dem schwer Erkrankten oder dessen Frau aus Gangelt. Es sei nun entscheidend, alle Kontaktpersonen der Infizierten ausfindig zu machen, sagte ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums am Donnerstagmorgen.

Im Laufe des Tages erwarten die Behörden zahlreiche weitere Testergebnisse von Kontaktpersonen, die sich möglicherweise bei dem Ehepaar angesteckt haben könnten. Dazu zählen etwa die Kinder des Paares, die rund 65 Kinder einer Kita und Dutzende Teilnehmer der Karnevalsveranstaltung. Je nach Ergebnis dieser Tests würden die Behörden entscheiden, ob für weitere Personenkreise häusliche Quarantäne angeordnet wird.

Mit den Maßnahmen wollen die Behörden erreichen, dass sich das neue Coronavirus nicht weiter ausbreitet. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte allerdings am Mittwoch bereits klargemacht: „Wir können nicht garantieren, dass wir die Infektionsketten gestoppt kriegen.“

Laumann sieht derzeit noch keine Veranlassung, wegen des Ausbruchs in dem Bundesland nach dem Vorbild Italiens Ortschaften abzuriegeln. Er halte dies aktuell nicht für die richtige Maßnahme, sagt Laumann im ZDF. Es gehe nun darum, „Schritt für Schritt“ jeden Tag über geeignete Maßnahmen zu entscheiden. Diese hingen jeweils ab von der Lagebeurteilung des Robert-Koch-Instituts.

Vier bestätigte Fälle in Baden-Württemberg

Neben den fünf Fällen in NRW und dem in Koblenz (Rheinland-Pfalz) in Behandlung befindlichen Soldaten gibt es weitere vier bestätigte Infektionen in Baden-Württemberg. Unter den Patienten dort ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein 25-Jähriger aus dem Landkreis Göppingen. Er habe sich vermutlich bei einer Reise nach Mailand mit Sars-CoV-2 infiziert und nach seiner Rückkehr grippeähnliche Symptome entwickelt. Er wird in einer Klinik in Göppingen behandelt.

Bei zwei weiteren Fällen handelt es sich nach Angaben der Uniklinik Tübingen um seine 24 Jahre alte Reisebegleiterin und deren 60-jährigen Vater. Dieser arbeitet als Oberarzt in der Pathologie der Uniklinik. Beide werden im Krankenhaus isoliert behandelt. „Sie sind in gutem Zustand und fühlen sich wohl“, sagte Nisar Malek, Ärztlicher Direktor an der Medizinischen Klinik.

Zudem wurde das Virus bei einem 32-Jährigen im Landkreis Rottweil nachgewiesen, wie das Gesundheitsministerium in Stuttgart mitteilte. Der Mann sei am Sonntag aus dem Risikogebiet in Italien eingereist und habe keine Verbindungen zu den bislang gemeldeten drei Patienten im Südwesten, teilte das Gesundheitsministerium in Stuttgart mit.

Er habe sich nach seiner Rückkehr aus dem italienischen Codogno wegen der typischen grippeähnlichen Symptome beim örtlichen Gesundheitsamt gemeldet. Am frühen Mittwochabend bestätigte sich den Angaben zufolge der Verdacht.

Wegen des Verdachts auf eine Covid-19-Erkrankung bei einem Reisenden war am Mittwoch ein Regionalzug von Frankfurt nach Saarbrücken vorübergehend gestoppt worden. Der Mann, der von einer Italien-Geschäftsreise zurückgekehrt war, habe Symptome festgestellt, teilte das rheinland-pfälzische Gesundheitsministeriums mit. Der im Saarland wohnende Fahrgast wurde zur weiteren Klärung in ein Krankenhaus der Region gebracht.

Angesichts der Ausbreitung des neuen Coronavirus in Deutschland bildet die Bundesregierung einen Krisenstab. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollen am Donnerstag in Berlin über die Einrichtung des gemeinsamen Krisenstabes ihrer Ministerien informieren, hieß es am Mittwoch in einer Einladung. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte zuvor erklärt, das Virus sei deutlich nähergerückt.

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