Kritik äußerte auch der Vizepräsident des ADAC, Ulrich Klaus Becker. „Die Bundesregierung verliert die Interessen der Verbraucher aus den Augen, indem sie es versäumt, diese aktiv einzubeziehen“, sagte Becker. Anders seien fehlende Einladungen an das Verbraucherschutzministerium und Verbraucherverbände wie den ADAC nicht zu erklären.
Das Unverständnis bei den Verbänden ist auch deshalb groß, weil das Thema durch das mutmaßliche Auto-Kartell noch brisanter geworden ist. BUND und Greenpeace rechnen schon mit zahlreichen Klagen. „Die neuen Erkenntnisse zum Hersteller-Kartell lassen vermuten, dass vorsätzlich und gemeinschaftlich Gesetze gebrochen wurden, selbst bei den Pkw mit der besten Reinigungstechnik“, sagte BUND-Chef Weiger. „Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, hätten Diesel-Kunden eine gute Grundlage, Anzeige gegen die Hersteller ihrer Fahrzeuge zu erstatten, sofern diese am Diesel-Kartell beteiligt waren.“ Denn der Betrugsvorgang sei „anscheinend gut dokumentiert und wird durch die Selbstanzeigen von VW und Daimler erhärtet“.
Der Greenpeace-Experte Stephan, gab zu bedenken, dass sich schon mehrere zehntausend VW-Besitzer anwaltlich vertreten ließen und den Konzern wegen manipulierter Dieselautos mit Schadensersatzklagen überzögen. „Sollten die Kartellbehörden, die Bildung eines Dieselkartells bestätigen, ist davon auszugehen, dass es auch gegen die anderen Hersteller ähnliche Verbraucherklagen geben wird“, sagte Stephan.
Fragen & Antworten: Jedes zweite Kartellverfahren wird durch Kronzeugen aufgedeckt
Der Verdacht gegen große deutsche Autobauer, ein Kartell gebildet zu haben, wiegt schwer. Sollte es zutreffen, dass sich - wie der „Spiegel“ am 21. Juli 2017 berichtet - Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler über Jahre untereinander unter anderem über Technik und Kosten absprachen, wäre dies ein neuer, aufsehenerregender Fall. Der Kampf der Wettbewerbshüter für mehr Markttransparenz ist im 60. Jahr des deutschen Kartellrechts aktueller denn je. Zentrales Thema des Bundeskartellamts mit seinem Chef Andreas Mundt ist der Schutz der Verbraucher. Neben der Wettbewerbsaufsicht zählen auch noch die Fusionskontrolle sowie die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu den Aufgaben der Behörde.
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Definiert ist es als Zusammenschluss von Unternehmen, die rechtlich und wirtschaftlich weitgehend selbstständig bleiben, aber etwa durch Preisabsprachen den Wettbewerb ausschalten. Tatsächlich ist es das erklärte Ziel des Bundeskartellamts, den Wettbewerb gegen jede Beschränkung zu schützen. Dabei kann es um rechtswidrige Absprachen über Preise zwischen einzelnen Unternehmen oder in ganzen Branchen gehen. Hintergrund ist die Überzeugung, dass Kartelle den Wettbewerb aushebeln und damit den „Motor der Marktwirtschaft“ zum Schaden von Kunden und Verbrauchern zum Stottern bringen. Dies kann etwa durch künstlich hoch gehaltene Preise oder beschränkte Mengen geschehen.
Kartellstrategien werden in der Regel im Geheimen besprochen, sie sind daher nur schwer aufzudecken und nachzuweisen. Bei seinen Ermittlungen ist das Bundeskartellamt daher weitgehend auf Hinweise von Eingeweihten angewiesen. Auf ihrer Internet-Seite fordert die Behörde offensiv: „Melden Sie sich bei uns, wenn Sie Hinweise auf illegale Absprachen haben!“ Dabei werden auch anonyme Hinweise telefonisch oder schriftlich entgegengenommen. Eine Rückverfolgung derartiger Hinweise ist dabei technisch ausdrücklich ausgeschlossen. Dazu kommen eigene Ermittlungen etwa auf der Grundlage anderer Verfahren, wenn die Verhältnisse in einem Markt verdächtig scheinen.
An einem Kartell Beteiligte haben so die Chance, im günstigsten Fall durch die sogenannte Kronzeugenregelung straffrei zu bleiben. Etwa jedes zweite Verfahren wird so ins Rollen gebracht. Derartige Anträge können jedoch nicht anonym gestellt werden. Es gilt dabei eine abgestufte Bonusregelung: Nur wer sich offenbart, bevor auch nur der leiseste Anfangsverdacht besteht, kann auf die vollen 100 Prozent hoffen. Eine spätere Kooperation wird nur noch mit abgestuften Abschlägen an einem späteren Bußgeld honoriert.
Das Bundeskartellamt verhängt Bußgelder, es vertritt aber nicht die möglichen Schadenersatz-Forderungen von Betroffenen. Kartell-Geschädigte müssen ihre Ansprüche daher in separaten Verfahren notfalls vor Gericht durchsetzen. Dabei steigen die Chancen jedoch deutlich, wenn die Wettbewerbsbehörde zuvor ein offizielles Kartellverfahren eingeleitet und vielleicht schon abgeschlossen hat.
Das Bundeskartellamt ermittelt in den unterschiedlichsten Branchen. In der jüngsten Zeit hatten unter anderem Verfahren gegen Zuckerhersteller und Bierbrauer für Schlagzeilen gesorgt. Aber auch Autozulieferer sind ins Visier der Bonner Kartellwächter geraten.
Klagen wegen etwaiger illegaler Absprachen zwischen Autoherstellern sind von Pkw-Käufern zwar möglich, aber ihre Rechtsdurchsetzung schwierig. Betroffene Verbraucher müssten argumentieren, „dass ihnen ein Auto verkauft wurde, was auf einem technischen Stand ist, der nicht dem entspricht, was möglich gewesen wäre“, sagte der Düsseldorfer Kartellrecht-Professor Christian Kersting kürzlich im Deutschlandfunk. Hier sei „viel Nachweisarbeit zu leisten“.
Noch schwieriger sei es, wenn der Verbraucher argumentiere, dass er eine Innovation verpasst habe, die er anderswo zu einem günstigen Preis hätte kaufen können, nun aber zum selben Preis ein weniger innovatives Auto bekommen habe als versprochen. Hier „wird man sich vor Nachweishürden sehen, die man nur sehr schwer überwinden kann“, sagte der Rechtsprofessor.