Sollte er damit in der Verhandlung durchkommen, will das Team der Ausbau-Befürworter direkt reagieren. In diesem Fall wollen die Planer blitzschnell Gemeinwohlkriterien präsentieren, deren Nutzen so groß sein soll, dass sie die EU-Schutzanforderungen aushebeln. Wichtigstes Argument sind 182.700 Jobs, die direkt oder indirekt am Hafen hängen sollen. Zudem sehen die Planer Deutschlands Export-Chancen in Gefahr, solange der größte und bestangebundene Hafen des Landes für die kosteneffizientesten Schiffe nicht mehr ohne weiteres erreichbar ist.
„Wir wären darauf vorbereitet, spontan eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen“, sagt er. Worauf sich wiederum die Naturschutzverbände vorbeireitet haben: Ihre Statistiken sollen zeigen, dass kaum Bedarf für die Elbvertiefung besteht.
Mit einem kompletten Scheitern der Pläne – wie im vergangenen Jahr bei der Weservertiefung – rechnet Aschermann keinesfalls. Schließlich habe das Gericht viele Punkte aus der behördlichen Genehmigung bereits abgehakt, bei anderer Gelegenheit Zeit für Nachbesserungen gegeben. „Wir sprechen nur noch über einen Bruchteil der ursprünglichen Streitpunkte“, sagt Hamburgs Rechtsamtsleiter Hans Aschermann. Die übrig geblieben Punkte seinen auf jeden Fall „reparabel“ – etwa durch Planänderungen oder neue Belege. „Das Projekt als solches kommt“, ist er überzeugt.
Die Allianzen der Reedereien
Der Name der Allianz "CKYHE" setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Mitglieder zusammen: Das ist die Cosco Shipping Line aus China, die japanische K-Line, Yang Ming aus Taiwan, die koreanische Hanjin und die taiwanische Reederei Evergreen, fünftgrößte Reederei der Welt.
In der Allianz "2M" haben sich die beiden größten Reedereien der Welt zusammengeschlossen, die dänische Maersk Line und die Schweizer MSC. Damit hat 2M nicht nur die meisten Marktanteile, sondern auch die größten Schiffe. Die Allianz verfügt alleine über 25 Mega-Containerschiffe mit einer Kapazität von mehr als 18.000 Standardcontainern.
Eigentlich wollten die beiden Reedereien gemeinsam mit der drittgrößten Reederei, der französischen CMA CGM, die Mega-Allianz "P3" gründen. Doch die chinesischen Kartellbehörden legten ihr Veto gegen dieses Bündnis ein.
Einer der Partner der Allianz G6 ist Hapag-Lloyd, die größte deutsche Reederei. Sie kooperiert mit den japanischen Reedereien MOL und NYK, der Orient Overseas Container Line (OOCL) aus HongKong, der Hyundai Merchant Marine (HMM) mit Sitz in Südkorea und der singapurischen NOL. Ein Mitglied wird das Netzwerk aber wahrscheinlich bald verlieren: NOL soll vom französischen Konkurrenten CMA CGM übernommen werden. Aus G6 wird dann vielleicht G5.
Nach dem die geplante Mega-Allianz P3 am Widerstand der Chinesen platzte, schuf sich CMA CGM ein neues Netzwerk: Die Franzosen, drittgrößte Reederei der Welt, kooperiert mit China Shipping (CSCL) und der arabischen Reederei United Arab Shipping Agency Company (UASC). Gemeinsam besitzen die Reedereien aktuell sieben Mega-Schiffe, sieben weitere sind geordert. Auch die Schiffe der singapurischen NOL will CMA CGM nach der Übernahme in die Allianz integrieren.
Bei der Weservertiefung hatte das Leipziger Gericht die Pläne ganz verworfen – allerdings wegen Planungsfehlern, die im Hamburger Fall gar nicht relevant sein können. Die Weser soll nämlich in drei Stufen ausgebaggert werden, die Elbe hingegen nur in einer.
Die Umweltverbände machen sich naturgemäß beim Fall Elbe größere Hoffnungen. Sie hoffen noch, das Projekt komplett kippen zu können, indem sie bereits verhandelte Punkte vor dem Gericht neu aufrollen.
Bleibt die Frage, wann das Gericht Grünes Licht gibt. Theoretisch wäre eine schnelle Freigabe schon am Mittwoch möglich – oder ein Urteil nach wenigen Wochen. Die Richter könnten jedoch auch neue Fragen stellen, in die Beweisaufnahme gehen – oder gar erneut den Europäischen Gerichtshof anrufen. Schließlich haben sie die Chance, einen Präzedenzfall zu schaffen. Das könnte sie dazu verleiten, auch für den Einzelfall wenig relevante Fragen letztgültig klären zu wollen.
Die beliebtesten Flaggen der deutschen Reeder
Etwa 3200 Schiffe umfasst die deutsche Handelsflotte. Davon fahren rund 1025 Schiffe mit der Flagge Liberias. Das Land an der Elfenbeinküste fordert mindestens eine 16-köpfige Besetzung. An einem Schiff mit deutscher Flagge müssen mindestens 19 Seeleute an Bord sein.
950 der in Deutschland registrierten Handelsschiffe fahren unter der Flagge des karibischen Inselstaats Antigua und Barbuda.
Mit 370 Schiffen nimmt die deutsche Flagge nach den Daten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie immerhin den dritten Platz der beliebtesten Flaggen ein. Doch nur 200 der Schiffe fahren nach Angaben des Verbands deutscher Reeder auch in internationalen Gewässern.
Der Inselstaat Malta ist die beliebteste europäische Flagge bei deutschen Reedern. 184 Schiffe fahren mit dem weiß-roten Banner.
171 Schiffe fahren unter der Flagge der Marshallinseln, die im pazifischen Ozean liegen.
Auch Zyperns Flagge ist bei den Reedereien beliebt: 134 Schiffe fahren unter der Flagge, die die Konturen des Staates zeigt.
Die restlichen 410 der in Deutschland registrierten Handelsschiffe fahren unter anderen Flaggen.
Immerhin: Die Konjunkturentwicklung kommt dem Hamburger Hafen zugute. Russland-Sanktionen und die chinesische Wachstumsschwäche lassen den Güterverkehr langsamer wachsen als ursprünglich prognostiziert. Weil viele Giga-Schiffe sowieso nicht vollbeladen sind, verlagern die Reedereien den Verkehr noch nicht im großen Stil. Die Hamburger Planer hoffen daher, trotz aller Verzögerungen noch rechtzeitig reagieren zu können: Die geschätzte 600 Millionen Euro teure Baumaßnahme selbst soll nach einem Urteil rasch beginnen und nur rund anderthalb Jahre dauern – also deutlich kürzer als Planung und Prozess.