Eliten Wie Manager und Politiker sich immer stärker entfremden

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Commerzbank- Chef Klaus-Peter Quelle: REUTERS

Über Jahre blickten die Unternehmenschefs mit einer Mischung aus Verachtung und Unverständnis auf die Politiker und ihr vergleichsweise mickriges Salär herab. Für ein Kanzlerinnengehalt von 15 833 Euro im Monat, für ein Gehaltsgefüge aus Aufwandspauschalen und Ortszuschlägen hätte sich mancher Vorstand am Morgen gar nicht erst aus dem Bett erhoben. Und wer stets rahmengenähte Kalbslederschuhe zum maßgeschneiderten Anzug wählte, der empfand den Anblick von Abgeordneten in Gesundheitsschlappen zum schlammfarbenen Ensemble schon optisch als Zumutung.

Politiker hielt man in den Vorstandsetagen für eine Art intellektuelle Ausschussware. Wer nur clever genug sei, der schaffe es ohnehin in die Wirtschaft, hieß es in Managerkreisen – und der ziehe nicht etwa in ein Parlament. Gerhard Schröder zum Beispiel, dem selbst erklärten Genossen der Bosse, blieb die Spucke weg, als ein Dax-Vorstand bei einer Rotwein-Runde im Kanzleramt frotzelte: „Ach Gerd, du bist hier doch nur der Bundeskanzler.“

Jetzt aber hat die Hybris die Seite gewechselt. Ein Lobbyist der Automobilindustrie sagt, er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele Politiker es den Managern heimzahlen wollten. Dabei hat die Finanzkrise die Entfremdung nur offengelegt. Wohl in keinem anderen Industrieland waren sich Manager und Politiker schon immer so fremd wie in Deutschland. So schreibt etwa der Politikwissenschaftler Klaus von Beyme in seiner Studie „Elite relations in Germany“, hierzulande herrsche seit jeher die Tradition der Trennung von Wirtschaft und Politik. Beide Systeme gefielen sich darin, über die Schwäche des jeweils anderen zu jammern.

Die Welten bleiben sich fremd

„Unter Unternehmern gibt es eine große Unzufriedenheit darüber, dass man sich von der Politik nicht repräsentiert fühlt“, sagt etwa Harald Christ, jener Unternehmer und Investor, der nun als Mittelstandsexperte für SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier Wahlkampf machen will. Auf der anderen Seite haben viele Politiker die Kontakte längst aufgegeben, weil sie ohnehin nicht mehr verstehen, was die Herren und die Damen in ihren dunklen Businessanzügen eigentlich beruflich machen.

Die Welten bleiben sich fremd, schon weil man sich nur selten über den Weg läuft. Anders etwa in Großbritannien: Dort hocken Top-Banker und Top-Politiker am Abend in denselben Kneipen oder Clubs. London ist zugleich politische und ökonomische Kapitale des Landes. In Deutschland aber fallen die Zentren auseinander. Die Bundespolitik drängt sich in Berlin – eine Stadt, in der es zwar kein einziges Dax-30-Unternehmen, dafür aber die meisten Hartz-IV-Empfänger gibt.

Wer als Politiker auf sich hält, sitzt zum Lunch im Café Einstein und bestellt ein Wiener Schnitzel. Derweil tafeln Deutschlands Top-Banker über 500 Kilometer entfernt am Opernplatz oder beim Edel-Lokal „Oscar’s“. Die Herren der Finanzwelt logieren in Frankfurt am Main, die Industriekapitäne in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Berlin ist in jedem Fall weit entfernt. Viel zu weit. „Natürlich kann man telefonieren und sich gelegentlich treffen. Aber das ist doch etwas anderes, als sich selbstverständlich in derselben Sphäre zu bewegen“, sagt ein Top-Banker.

Andere Netzwerkbildung als in USA oder Frankreich

Schon in der Ausbildung beginnt die Trennung. In Großbritannien sitzen angehende Manager und Politiker an Traditionsuniversitäten wie Oxford in denselben Seminaren, in den USA sammeln sie sich in Harvard oder Yale. In Frankreich studieren künftige Manager und Politiker gemeinsam an den Grandes Ecoles. An der Elitehochschule ENA zum Beispiel, die die Spitzen der französischen Politik ausbildet, studierten auch junge Manager, die später die Chefs großer staatsnaher Unternehmen wurden, etwa Louis Gallois (EADS), Michel Pébereau (BNP Paribas) oder Jean-François Cirelli (GDF Suez).

In Deutschland gibt es kein vergleichbares Netzwerk, das die Welten verbindet. Im Gegenteil. Viele Regierungsmitglieder und Spitzenbeamte haben Jura studiert. In den Unternehmenszentralen aber sinkt die Anzahl der Juristen, die ein politisches Interesse mitbringen.

So bleiben die Welten getrennt. Und kaum einer überschreitet die Grenzen. In den USA ist es selbstverständlich, dass sich Politiker aus dem Top-Management rekrutieren, in Deutschland dagegen selten. Nur Werner Müller, ehemaliger Energiemanager, hatte als Minister Erfolge, als er den Atomausstieg aushandelte. Viele andere Unternehmenslenker aber sind beim Sprung über die Grenzen gescheitert, entnervt von Kompromissen und Kungeleien.

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