Energiekrise Wir brauchen jetzt dringend deutsches Frackinggas

Ein Arbeiter einer Fracking-Förderanlage im US-Bundesstaat Colorado. Auch hierzulande sollte die Technik wieder erlaubt werden, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden. Quelle: AP

Über Fracking gibt es jede Menge Horrorgeschichten. Doch Fracking ist nicht gleich Fracking. Will Deutschland sich von Russlands Gas unabhängig machen, muss die Regierung sichere Methoden schnell zulassen. Ein Kommentar.

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Russlands Präsident Wladimir Putin droht, der Bundesrepublik den Gashahn abzudrehen. Aus der Bundesregierung heißt es zugleich, man sei auf russisches Gas noch angewiesen, könne ein Embargo gegen russische Energieexporte nicht mittragen. Also finanzieren wir munter den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine weiter mit. Besonders peinlich macht diese Situation die Tatsache, dass im deutschen Boden Billionen Kubikmeter Gas lagern, die wir in relativ kurzer Zeit anzapfen könnten. Einige abgeschaltete Förderanlagen ließen sich Experten zufolge binnen weniger Wochen hochfahren. Sie könnten einen signifikanten Teil unseres Bedarfes decken.

Dazu aber müsste die Ampel-Koalition die Regeln für das Fracking wieder lockern, die in den 2010er Jahren nach zahlreichen Kampagnen von Umweltverbänden verschärft wurden. Seit 2012 wird wegen zu strenger Auflagen in Deutschland überhaupt nicht mehr gefrackt. Es per se zu verteufeln, ergibt in der aktuellen Situation überhaupt keinen Sinn. Denn Fracking ist nicht gleich Fracking. Das konventionelle Fracking in Sandstein wurde in Deutschland seit 1961 hunderte Male betrieben, ohne dass es problematische Vorfälle gegeben hätte. Liegen die Lagerstätten doch in fünf bis sechs Kilometern Tiefe, unter dichten unterirdischen Deckgebirgen, durch die praktisch nichts durchdringen kann.

Auch wirtschaftlich wäre es machbar und sinnvoll. Zwar kostet Fracking Geld. Aber der dadurch erzeugte höhere Gasfluss gleicht die höheren Kosten Experten zufolge wieder aus. Und es wäre ein deutliches Signal an den Mann im Kreml, dass wir seine Spiele nicht mitspielen. Der Anteil der Selbstversorgung in Deutschland könnte so von derzeit 5 auf 10 bis 15 Prozent steigen.

Erschließt die Republik auch noch die vorhandenen Schiefergasvorkommen, könnte dieser Anteil noch einmal deutlich höher ausfallen. Auch darüber sollte die Regierung nachdenken. Hier gelten die Risiken zwar als etwas größer, weil höherer Druck notwendig ist, um das Gestein aufzubrechen. Doch man könnte sich auch hier auf tiefer liegende Gesteinsformationen beschränken, die mehrere Kilometer von der Oberfläche und vom Grundwasser entfernt sind.

Auch ließe sich der Einsatz der umstrittenen Frackingflüssigkeit hier Brancheninsidern zufolge massiv reduzieren. Die besteht hauptsächlich aus Wasser und Sand, sowie geringen Mengen Chemie. Sie wird unter Druck ins Gestein gepumpt, um dieses aufzubrechen und Risse zu bilden. Die Sandkörner halten die Risse offen, Gas kann leichter zum Bohrloch strömen. Das Aufbrechen der Risse ließe sich aber auch mit Stickstoff oder CO2 erreichen. Flüssigkeit bräuchte man dann nur noch, um die Sandkörner in die Risse zu spülen.

Technologisch spricht also nichts dagegen, mit deutschem Frackinggas russisches Kriegsgas für einen gewissen Zeitraum zu ersetzen. Das Risiko für die Umwelt wäre besonders beim konventionellen Fracking in Sandstein minimal. Wird es verantwortungsvoll getrieben, dürfte auch der sogenannte Methanschlupf nicht höher liegen als bei der normalen Gasförderung.

Größer wäre das politische Risiko, weil die Öffentlichkeit immer noch Dokumentarfilm-Bilder von brennendem Wasser aus Wasserhähnen vor Augen hat. Bei einer solchen Aufnahme aus den USA ist inzwischen nachgewiesen, dass sie mit Fracking nichts zu tun hatte. Es handelte sich um ein Naturphänomen in der Gegend. Deshalb ist es vor allem Bequemlichkeit, wenn die Regierung die öffentliche Meinung hier als gegeben hinnimmt, nicht versucht, durch Aufklärung ein realistisches objektives Bild bei den Bürgern zu schaffen. Gerade die Grünen als Partei brächten eine entsprechende Glaubwürdigkeit mit.

Das alles heißt am Ende nicht, dass Erdgas kein Klimakiller ist. Die WirtschaftsWoche hatte immer wieder über die wahre Schädlichkeit berichtet. Mittelfristig muss es durch grüne Alternativen ersetzt werden. Doch bisher gibt es keine grüne Wasserstoffwirtschaft, die binnen Wochen und Monaten einspringen könnte. Solange müssen wir hierzulande auch auf Frackinggas setzen, um die Abhängigkeit von Russland und dem Aggressor Putin ein für alle Mal zu beenden.

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