Frauen in Führungspositionen Vorstandsquote: Warum kein Mann seinen Platz räumen muss

Drei Kriterien müssen erfüllt sein, damit die Quotenvorgabe greift: Das Unternehmen muss erstens börsennotiert sein, zweitens einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat und mehr als drei Vorstandsmitglieder haben. Reicht das für einen echten Fortschritt?  Quelle: dpa

Die Vorstandsquote ist ein Signal, aber kein endgültiger Durchbruch: Die „Zielgröße Null“ bleibt zulässig, die Aufsichtsratsquote wurde nicht ausgeweitet. Will die Regierung echten Fortschritt, muss sie strenger sein.

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Lange hat der Entwurf zum Gesetz für die Frauenquote vor sich hingeschlummert, nach dem Ende der Unions-Blockade hat sich die Koalition nun endlich auf das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) geeinigt – das ist zwar ein Vorstoß mit Signalwirkung, aber für einen echten Fortschritt reicht das noch lange nicht.  

Zwar sehen die neuen Regelungen erstmals verbindliche Vorgaben für mehr Frauen in Vorständen vor, aber die Quote für den Vorstand gilt leider nur, wenn drei Kriterien erfüllt sind: Das Unternehmen muss erstens börsennotiert sein, zweitens einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat und mehr als drei Vorstandsmitglieder haben.

Kein amtierender Vorstand muss seinen Platz räumen

Zudem greift die Vorstandsquote nur bei Neubesetzungen. Bestehende Mandate – auch nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung – können noch bis zu ihrem Ende wahrgenommen werden, kein amtierender Vorstand wird also seinen Platz für eine Frau räumen müssen.

Immerhin: Verstößt ein Unternehmen gegen das neue Quotengesetz und besetzt einen Vorstandsposten mit einem Mann, obwohl die Besetzung laut Gesetz mit einer Frau zu erfolgen hätte, ist diese Bestellung nichtig und der Posten bleibt unbesetzt.

Das ist zwar ein wichtiges (und lange überfälliges) Signal, doch die geplanten Regelungen sind ausbaufähig – ja, sogar ausbaupflichtig – denn sie betreffen laut Bundesfrauenministerium aktuell nur rund 70 Unternehmen, knapp 30 von ihnen haben noch keine Frau im Vorstand. Die Anzahl der von der Vorstandsquote betroffenen Unternehmen ist also überschaubar.

„Zielgröße Null“ bleibt rechtlich zulässig

Ein weiterer Wermutstropfen ist die ausbleibende Ausweitung der Aufsichtsratsquote auf weitere Unternehmen. Während sie im Referentenentwurf noch vorgesehen war, wurde sie zugunsten der Frauenquote in den Verhandlungen geopfert. Angeblich wollte die Union nur eine der beiden Maßnahmen für die Privatwirtschaft akzeptieren: entweder Ausweitung der Aufsichtsratsquote oder Einführung einer Vorstandsquote. Die Vorstandsquote ist immerhin das stärkere Signal.

Die nun erzielte Einigung hätte es längst geben können, denn ursprünglich war die Vorstandsquote sonst für das erste Führungspositionen-Gesetz (FüPoG I) vorgesehen, das seit 2016 gilt. Die Quote für Vorstände konnte sich damals aber nicht durchsetzen und wurde in der Folge erheblich abgemildert. Seither müssen die Unternehmen lediglich eine Zielgröße angeben, wie viele Frauen sie in den Vorstand berufen möchten. Dabei können sie auch eine Zielgröße von „Null-Frauen-im-Vorstand“ angeben.

Fatal, dass sich die Koalition nun offensichtlich erneut nicht auf die Abschaffung dieses gesetzgeberischen Defizits einigen konnte: Die „Zielquote: Null“ bleibt rechtlich zulässig.

Begründungspflicht und Bußgeld drohen

Allerdings müssen Unternehmen, die nicht unter die neue Regelung zur Vorstandsquote fallen, weil sie zwar börsennotiert und mitbestimmt sind, aber kein vierköpfiges Vorstandsgremium haben, es künftig begründen, wenn sie weiterhin eine Zielvorgabe von null Prozent Frauen für ihre Spitzengremien und die beiden ersten Führungsebenen festlegen. Bleibt eine Begründung aus, wird ein Bußgeld fällig.

Ein wichtiges Signal kommt für Bundesunternehmen, für die strengere Vorgaben gelten als für die Privatwirtschaft. Hier muss schon dann eine Frau im Führungsgremium sitzen, wenn das geschäftsführende Organ – je nach Rechtsform ist dies der Vorstand oder die Geschäftsführung – mehr als zwei Mitglieder hat. Der Bundesgesetzgeber kommt damit schließlich seiner Vorbildfunktion nach.

Auch die Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben nicht außen vor. In „mehrköpfigen Vorständen der gesetzlichen Krankenkassen“ soll die Mindestbeteiligung von einer Frau ebenso gelten wie in den Geschäftsführungen der Renten- und Unfallversicherungsträger und im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Nach derzeitigem Stand sind von dieser Regelung knapp 100 Unternehmen des Bundes betroffen.

Warum kein Transparenzregister für Bundesunternehmen?

Wünschenswert – aber im neuen Gesetz nicht vorgesehen – wäre es, ein Transparenzregister für Bundesunternehmen und Körperschaften des öffentlichen Rechts zu etablieren. Darin könnte fortlaufend und öffentlich dokumentiert werden, ob und wie Quotenvorgaben in den jeweiligen Unternehmen umgesetzt und eingehalten werden.  

Noch ist das Gesetz nicht durchs Kabinett, Anfang Januar wird es hoffentlich so weit sein, um es noch in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag zu bringen. Innerhalb der Unionsfraktion bringen sich die Gegner des Vorhabens bereits medial in Stellung. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sehen Nachbesserungsbedarf.

Selbstverpflichtung ist gescheitert

Aber wie notwendig die Frauenquote für Vorstände ist, hat das Scheitern der freiwilligen Selbstverpflichtung bereits gezeigt. Auch das erste Führungspositionen-Gesetz hat keinen signifikanten Wandel bewirkt, wie der aktuelle Women-On-Board-Index des Vereins FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte e.V.) zeigt. Demnach hat sich der Anteil weiblicher Vorstände in der Privatwirtschaft seit 2016 zwar verdoppelt, er bewegt sich aber immer noch auf einem niedrigen Niveau von 10,7 Prozent.

Und die von den Unternehmen selbst gesetzten Zielgrößen deuten nicht darauf hin, dass sie an dieser Situation etwas ändern wollen: 115 der 188 der untersuchten Unternehmen haben keine Frau im Vorstand und 75 davon planen auch weiterhin mit einer Zielquote Null für die Vorstandsebene, zeigt der im Women-On-Board-Index.

Bei den öffentlichen Unternehmen sieht es nur geringfügig besser aus. Von den 123 börsennotierten oder mitbestimmten öffentlichen Unternehmen von Bund und Ländern planen weiterhin 33,3 Prozent auch im Jahr 2020 mit einer Zielquote Null.

Kosten für die Umsetzung sind vergleichsweise gering

Um die Wirkung des Gesetzes zu erhöhen, muss also eine verbindliche Vorgabe zum Frauenanteil in den Vorständen her. Die Quote ist (leider) die Ultima Ratio. Die Unternehmen hatten ausreichend Zeit, sich darauf einzustellen, dass die Quote auch für den Vorstand kommt.

Ausreden, wonach Unternehmer derzeit ja schon genug gebeutelt seien oder der Verwaltungsaufwand einer Quote viel zu hoch sei, laufen ins Leere. Denn die jährliche Belastung der aktuellen Quotenvorgaben des neuen Gesetzes beträgt gerade einmal 43.000 Euro, wie ein Gutachten der Unternehmensberatung Kienbaum zeigt. 43.000 Euro, das ist ein marginaler Betrag, wenn man bedenkt, dass sich die Kosten für die Weltwirtschaft durch ungleiche Löhne und Gehälter auf jährlich 160 Billionen US-Dollar belaufen, wie die Weltbank schätzt.

Staat muss weniger zaghaft vorgehen

Daran, dass die Vorstandsquote auch gerecht ist, besteht ohnehin kein Zweifel. Denn dass der Staat die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ fördert und „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinwirkt, steht in Artikel 3 des Grundgesetzes. Wie also kann eine Frauenquote von 25-30 Prozent ungerecht sein, wenn es genauso viele Männer wie Frauen auf der Welt gibt?

Genau deshalb muss der Staat weniger zaghaft sein. Die Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte muss prozentual erhöht werden und signifikant mehr Unternehmen erfassen – nur dann wird sie die Wirkung entfalten, die notwendig ist.

Joana Christin Seidel, LL.M. ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht bei SKW Schwarz (Berlin) und Regionalvorständin der Organisation Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) e.V. und zuständig für die Regionen Berlin und die ostdeutschen Bundesländer.

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