Fußball WM in Katar Spart Euch die öffentlich-rechtliche WM

Dass die das Geld der Beitragszahler dazu verwenden, der FIFA und ihrer Katar-PR 214 Millionen Euro hinterherzuwerfen, ist absurd. Quelle: Imago

Guckst Du die WM in Katar? Das ist die Gretchenfrage dieser Tage. Soll jeder halten, wie er mag. Was aber nicht geht, ist, dass ARD und ZDF die Wüstenshow der FIFA, wenn auch verdruckst, mitfinanzieren. Ein Kommentar.

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Guckst Du WM, trotz allem? Am Sonntag vielleicht schon den Kracher Katar gegen Ecuador, während Du im aus Spargründen kühl gehaltenen Wohnzimmer mit klammen Händen den Adventskranz flichtst? Das ist die moralische Gretchenfrage dieser Tage. Soll jeder, finde ich, halten, wie er mag. Moralisch astrein ist der TV-Boykott natürlich. Andererseits: Wer mag schon darüber richten, wenn es Menschen dann doch interessiert, ob Füllkrug trifft, wie sich Götze behauptet und ob der Flick Hansi in der WM-Hitze doch irgendwie aus Ruhe zu bringen ist. Gerade bei all den Härten, die dieser Winter mit sich bringt, ist ein bisschen Entlastung hilfreich – auch, und gerade wenn sie mal nicht in der dann doch anstrengenden Form einer Gaspreisbremse daherkommt. So weit, so liberal.

Werbeplattform für autoritäres und homophobes Regime

Wo meine liberale Haltung ihre Grenzen findet, ist jedoch bei ARD und ZDF, den Öffentlich-Rechtlichen. Mal ab von Schlesinger, Ruhegeld und cringen Kuscheleinheiten mit der Politik. Dass die das Geld der Beitragszahler dazu verwenden, 48 der 64 WM-Spiele live zu zeigen, der FIFA und ihrer Katar-PR 214 Millionen Euro hinterherzuwerfen, ist absurd. Ja, schon, Fußball, mag man argumentieren, ist eine nationale Angelegenheit, es gibt kein größeres Lagerfeuer als eine WM, und die mediale Verfestigung des – „Ein Hoch auf uns“ – „Wir“-Gefühls mag man für einen Teil des öffentlich-rechtlichen Pflichtportfolios halten. Und auch, dass der DFB nicht nur Profis verwaltet, sondern auch den Breitensport, stimmt. Alles gut und schön. Aber unterm Strich bleibt doch, dass ARD und ZDF eine Werbeplattform für die FIFA schaffen, für das autoritäre und homophobe Regime in Katar werben – und den Marktwert ohnehin golden besoldeter Profis steigern. Auch das kann man alles tun, nur sollte man es nicht mit öffentlich-rechtlichen Beiträgen tun.

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Der Ablasshandel mit kritischen Dokus

Bei ARD und ZDF sind sie sich der Problematik bewusst. Sie schicken jetzt nicht so viele Leute nach Katar wie zu anderen Weltmeisterschaften. Und bei Jubelreportagen über Land und Leute werden sie wohl vorsichtig sein. Beide Sender legen sich gerade sogar mächtig ins Zeug, um zu zeigen, wie kritisch sie gegenüber jenen Katarern eingestellt sind, die sie ab Sonntag bewerben. In der vergangenen Woche lief in der ARD im Rahmen eines Themenabends die Dokumentation „Katar – warum nur?“ von Thomas Hitzlsperger, das ZDF zeigte die „Geheimsache Katar“, in den Radiosendern wird eifrig über die WM und das sinistre Regime diskutiert. Das ist gut und richtig. Aber die Öffentlich-Rechtlichen könnten genau das auch tun, ohne gleichzeitig Millionen in das Event zu investieren und auf Superquoten hoffen zu müssen, die das rechtfertigen. Wie es jetzt gehandhabt wird, kommt die Kritik jedenfalls einem journalistischen Ablasshandel gleich. Wir kritisieren, um die Spiele zeigen zu dürfen. Ehrlicher wäre es, das Feld gleich komplett privaten Sendern zu überlassen. Sollen doch alle den Telekom-Sender MagentaTV gucken oder einen anderen Sender, der dafür Geld hat.

Wir können uns einen wertegeleiteten Rundfunk leisten

Aber ist das nicht ohnehin Heuchelei, ist die ganze Katar-Kritik nicht eh für die Katz, wenn wir gleichzeitig um das Gas des Regimes betteln, darauf hoffen, dass Doha uns früher oder später Flüssig-Erdgas, LNG, liefert, um uns endgültig aus dem eisernen Griff Wladimir Putins zu befreien? Ich finde, dass es da entscheidende Unterschiede gibt. Die Gas-Deals, die die Bundesregierung mit den Katarern einzufädeln versucht, mögen einer lupenreinen „wertegeleiteten Außenpolitik“ widersprechen. Aber sie sind ein Stück Realpolitik, das dafür sorgen kann, dass Wohnzimmer tatsächlich warm bleiben und in Werkshallen gearbeitet wird. Nicht schön, aber notwendig. Dass in diesen Wohnzimmern aber deshalb auf Beitragszahlerkosten Fußball aus Katar flimmert, ist nicht notwendig. Für alle mag gelten: Spart Gas! Und hofft auf Katar! Für ARD und ZDF aber hätte schon viel früher gelten müssen: Spart euch die WM. Denn, das ist ja eigentlich eine gute Nachricht: Einen wertegeleiteten Rundfunk hätten wir uns schon jetzt leisten können.

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