Der russische Präsident Wladimir Putin kann nach diesem Wochenende eine positive Bilanz ziehen. In der Presse wird das über zwei Stunden lange Treffen mit US-Präsident Trump gerne als „Höhepunkt des Gipfels“ betitelt und tatsächlich schien sich bei der Zusammenkunft in Hamburg viel um die beiden Staatschefs Putin und Trump zu drehen. Weltpolitisch ist der Waffenstillstand mit den USA in Teilen Syriens als Erfolg zu verzeichnen. Dieser Erfolg bedeutet allerdings noch lange nicht das Ende des syrischen Bürgerkriegs: Russland und die USA haben weiterhin eine gegensätzliche Taktik. Während die USA den syrischen Machthaber Assad so schnell wie möglich absetzen wollen, ist Putin weiterhin dessen Unterstützer und möchte ihn so lange wie möglich an der Macht halten.
Während Trump im 19 zu 1 dem Rest der G20 isoliert gegenüber steht, hat Putin seit mehr als zwei Jahrzehnten Beziehungen zu den Staats- und Regierungschefs aufgebaut. Er hat deutlich mehr Erfahrung als Trump und nutzt die Schwächen des Präsidenten zu seinen Gunsten. Wo Trump sich quer stellt und keine Kompromissbereitschaft zeigt, ist Putin offen für Gespräche. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel schreibt ihm ein Interesse an einem besseren Verhältnis zu Deutschland und Europa zu, auch wenn dem weiterhin der Konflikt in der Ostukraine im Weg steht. Trump dagegen bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung. Selbst Merkel hält eine Rückkehr der USA ins Pariser Klimaabkommen für unwahrscheinlich. Und auch beim Thema Freihandel stößt man beim US-Präsidenten auf Granit.
Trotzdem ist Donald Trump ebenfalls ein Gewinner des Gipfels. Er konnte zwar nicht bei dem Rest der G20, dafür aber bei seinem Wählerstamm punkten. Die unterstützen Trump gerade wegen seiner protektionistischen Linie und kontroversen Klimapolitik, ganz getreu seinem Motto „America first“. Auch das Treffen mit Putin hätte für ihn nicht besser laufen können, sagt zumindest sein Finanzminister Steve Munchin auf dem Rückflug in die Vereinigten Staaten. Überraschend ist außerdem, dass gerade wegen Trump auch Frauen in Entwicklungsländern etwas vom Gipfeltreffen haben: Der amerikanische Präsident spendete ein Summe von 50 Millionen Euro.
Die G20 im Überblick
Die Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) ist das wichtigste Abstimmungsforum in der internationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Sie ist eine Antwort auf Krisen, die die globale Finanzstabilität in Gefahr zu bringen drohten. 1999 war es die asiatische Finanzkrise, die die Finanzminister aus den USA, Kanadas und Deutschlands zu der Einsicht brachte, dass ökonomische Einbrüche von globaler Bedeutung künftig auf einer breiteren Ebene angegangen werden müssen. Die G20 wurde daher als eine Runde der wichtigsten Finanzminister aus der Taufe gehoben. Ihr gehörten nicht nur die etablierten Industrieländer an, sondern auch die wichtigsten aufstrebenden Staaten wie China, Indien und Brasilien. Knapp zehn Jahre später drohte der Welt ausgehend von den USA ein neuer Absturz. Um den Kollaps zu verhindern, wurde die G20 zum weltweit zentralen Koordinierungsforum aufgewertet: fortan tagt sie auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs.
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Vorläufer der G20 als wohl mächtigster und exklusivster Staatenclub weltweit war die Mitte der 70er Jahre gegründete G7, in der mit den USA, Japan, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland die damals bestimmenden Industrieländer zusammenarbeiteten. Sie verstand sich nicht nur als ein Zirkel der damals wohl mächtigsten Staatenführer, der regelmäßig und in informeller Atmosphäre über globaler Herausforderungen sprach. Sie verstand sich auch als eine Wertegemeinschaft, die Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft verfocht. Ende der 90er Jahren stieß vorwiegend aus politischen Gründen Russland hinzu, das 2014 wegen der Annexion der Krim aber wieder ausgeschlossen wurde.
Die G20 führte in den ersten Jahren gegenüber der G7/G8 zunächst eher ein Schattendasein. Ihr gehörten neben den G7-Ländern und Russland Argentinien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Südafrika, Südkorea, die Türkei, Australien und Saudi-Arabien an. Brasilien, Russland, Indien, China und Brasilien bildeten zusätzlich noch einen eigenen "Ableger", den sogenannten BRICS-Klub der wichtigsten Schwellenländer. Darüber hinaus zählt die Europäische Union als eigenständiges G20-Mitglied. Den Status eines ständigen Gastmitgliedes genießt seit Jahren Spanien. Darüber hinaus kann das jeweilige Präsidentschaftsland weitere Länder einladen. Deutschland bat für dieses Jahr die Niederlande und Norwegen hinzu.
Zudem sind bei den G20-Gipfeln auch die wichtigsten weltweiten Finanzinstitutionen und regionalen Staatenbündnisse präsent, wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die OECD und die Welthandelsorganisation WTO, aber auch die Vereinigung Südostasiatischer Staaten (ASEAN), die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) und die Afrikanische Union (AU).
Die G20-Mitgliedsstaaten repräsentieren 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Die Staatengruppe steht für vier Fünftel des Welthandels und zwei Drittel der Weltbevölkerung. Sie produzieren aber auch 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen - allen voran China, die USA und Indien. Gemessen an ihrer Bedeutung für die Weltwirtschaft haben sich in den letzten Jahren vor allem China und Indien stark nach vorne geschoben. Die Europäer und auch Kanada büßten Gewicht ein.
Die G20 versteht sich, anders als die G7, ausdrücklich nicht als Wertegemeinschaft. In ihrer Mitte bewegen sich Länder mit den unterschiedlichsten Staatsformen. So werfen die Europäer Ländern wie China und Saudi-Arabien, aber auch Russland seit langem Rechtsstaats- und Demokratiemängel vor. Auch die Türkei sieht sich derzeit solcher Kritik ausgesetzt. Es gibt in letzter Zeit aber auch wieder wachsende Differenzen zwischen den G20-Ländern in grundlegenden Fragen wie zum freien Welthandel und zur Klimaschutzpolitik, vor allem wegen der USA.
Die G20 sind eine informelle Gruppierung von Ländern. Sie können als solche keine global verbindlichen Beschlüsse fassen und Regelsetzungen treffen. Sie können aber aufgrund des Gewichts ihrer Mitgliedsländer weltweit Leitplanken formulieren, wie sie es etwa bei der Finanzmarkt-Regulierung mit härteren Vorgaben für Aufsicht und Risikovorsorge bei den Banken getan haben. Großes Gewicht genossen die in den Kommuniques festgehaltenen G20-Positionen bislang dadurch, dass sie einstimmig beschlossen wurden und damit der Ausdruck des gemeinsamen willens aller Mitglieder darstellten. Mit den aktuellen grundlegenden Differenzen mit US-Präsident Donald Trump bei Klimaschutz und anderen zentralen Fragen könnte diese besondere Wirkung schwinden.
Für viele Kritiker ist das G20-Bündnis ein Machtinstrument gegenüber den restlichen 173 Ländern der Welt, ohne jegliche demokratische und rechtliche Legitimation. Die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung etwa kritisiert, die G20 habe keinerlei Rechenschaftspflicht gegenüber Institutionen mit weltumspannender Mitgliedschaft, wie zum Beispiel den Vereinten Nationen. Vielen Kritikern gilt die G20, wie zuvor schon die G7, als ein Durchsetzungsorgan der Mächtigen und Reichen gegenüber den Ohnmächtigen und Armen dieser Welt - fernab der Nöte der Menschen. Auch, dass die Gruppe die Mängel an Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in den eigenen Reihen nicht thematisiert, halten viele Kritiker für ein großes Manko.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird für ihre Entscheidung, den Gipfel in Hamburg abzuhalten, stark kritisiert. Die Hauptschuld wird allerdings Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz angelastet. Für Merkel war das Treffen der G20 letztendlich ein wichtiges Ereignis, nicht zuletzt in Sachen Wahlkampf. Nur elf Wochen vor der Wahl zeigt sie sich als Weltpolitikerin, mit den wichtigsten Staatschefs der Welt – Bilder, von denen Martin Schulz nur träumen kann.
Inhaltich konnten sich die G20 nur in einem Thema einig werden: Laut Merkel waren alle Teilnehmer der Meinung, dass der Terrorismus eine „Bedrohung für uns alle ist“. Im Kampf gegen den Terrorismus wollen die Länder besser miteinander kommunizieren und wirksamer gegen die Finanzierung von Terrorzellen vorgehen. Außerdem soll die Verbreitung terroristischer Inhalte im Netz produktiver verhindert werden.
Auch die Messe Hamburg, auf deren Gelände der Gipfel stattfand, kann sich über die durch die G20 gewonnene Popularität sicher nicht beklagen. Konkrete Zahlen möchte die „Hamburg Messe und Congress GmbH“ nicht preisgeben, schlecht war die Aufmerksamkeit für das Hamburger Unternehmen jedoch sicher nicht. Das Gleiche gilt für die Hamburger Sterne-Hotels, wie das „Atlantic Kempinski“, das „Mövenpick“ oder das „Grand Elysee“. Gäste wie Angela Merkel, Justin Trudeau und Emmanuel Macron beflügeln das Image eines jeden Hotels und eignen sich gut zur Eigenwerbung.