Haushalt Bund macht in Krise 450 Milliarden Euro neue Schulden

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will im laufenden Jahr rund 60,4 Milliarden Euro mehr Schulden machen als zunächst geplant. Quelle: dpa

Bundesfinanzminister Scholz legt eine neue Haushaltsplanung mit Rekordverschuldung vor. Hohe Pandemiekosten und geringere Steuereinnahmen kennzeichnen den Etat, aber auch nach der Krise drohen zu hohe Ausgaben.

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Die anhaltende Coronapandemie schlägt sich im Bundeshaushalt massiv nieder und sorgt für eine noch nie dagewesene Aufnahme neuer Schulden. Um rund 450 Milliarden Euro soll die sogenannte Nettokreditaufnahme in den Krisenjahren 2020, 2021 und 2022 steigen. Das geht aus dem Entwurf für die mittelfristige Finanzplanung und den Haushalt 2022 samt Nachtragshaushalt 2021 hervor, den das Bundeskabinett an diesem Mittwoch verabschiedet hat. Damit übersteigen die Kosten für die Pandemiejahre alle anderen bisherigen Krisen zuvor, insbesondere auch während der Finanzkrise in den Jahren 2008 bis 2010.

Erst 2023 will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse wieder einhalten, allerdings nur mit einem Haushaltstrick: Dann will der Minister die bestehende Haushaltsrücklage von 48,2 Milliarden Euro auflösen, verteilt auf zwei Jahre. Auf diese Weise vermeidet der SPD-Kanzlerkandidat es, schon jetzt Einschnitte bei bestimmten Staatsausgaben zu formulieren.

Derzeit will das Ministerium nur von einem zusätzlichen „Handlungsbedarf“ sprechen, um dann die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Unterdessen fordert der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) ein „Moratorium für ausgabenstarke Leistungen“, damit der Bund wieder auf den Pfad solider Staatsfinanzen zurückkehrt. Es werde diesmal schwieriger als bei der letzten Finanzkrise, so Hilbers weiter, weil der Bundesfinanzminister nicht mehr mit sinkenden Zinsen rechnen könne. Tatsächlich kalkuliert das Bundesfinanzministerium mit wieder höheren Zinslasten im Staatshaushalt.



In diesem Jahr will Scholz die Bundesausgaben nun auf 548 Milliarden Euro steigern und die Nettoneuverschuldung gegenüber dem geltenden Etat um weitere 60,4 Milliarden Euro auf 240 Milliarden Euro erhöhen. Trotz der Rekordverschuldung heißt es aus dem Finanzministerium: „Wir können das finanziell stemmen.“ Und weiter: „Deutschland kommt besser durch die Krise als viele andere Länder.“ Zum Beleg wird angeführt, dass das Bruttoinlandsprodukt hierzulande 2020 lediglich um 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft sei, in Frankreich dagegen um 8,1, in Italien um 8,9, in Großbritannien um 9,9 und in Spanien sogar um 11,0 Prozent. „Unsere entschlossene Finanzpolitik wirkt“, lautet die Anmerkung aus dem Hause Scholz.

Auch habe man in der Krise die privaten Haushalte vor Einbußen bewahrt; deren Einkommen seien 2020 trotz aller Widrigkeiten sogar um 0,7 Prozent gestiegen. Allerdings erwartet die Bundesregierung im laufenden Jahr eine etwas geringere wirtschaftliche Erholung um noch 3,0 statt 4,4 Prozent gegenüber 2020.

Dass der Bund in diesem Jahr noch weitere Schulden in Höhe von gut 60 Milliarden Euro machen soll, liegt an der nicht enden wollenden Pandemie. So sollen die Ausgaben für Unternehmenshilfen um 25 Milliarden Euro steigen, die Steuermindereinnahmen werden aktuell gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsansatz auf neu 8,6 Milliarden Euro beziffert. Dem Bundesgesundheitsministerium stellt Scholz zusätzliche 8,7 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Zu allem Überdruss gibt es in diesem Jahr auch keinen Gewinn von der Bundesbank, die der Bund vereinnahmen kann. Und schließlich schlagen sich die anziehenden Zinsen an den Kapitalmärkten auch beim Bund nieder: Er rechnet inzwischen mit zusätzlichen Zinsausgaben von 4,5 Milliarden Euro.

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Wegen der Bundestagswahlen im Herbst dürfte zumindest der Haushaltsentwurf für das nächste Jahr lediglich symbolischen Wert haben. Denn üblicherweise wird der Staatsetat nach einer Wahl von der neuen Bundesregierung neu ausgerichtet. Ob es diesmal größere Änderungen geben wird, hängt davon ab, wie die Wahlen ausgehen und ob die kommende Regierung eine Politik des lockeren Geldes oder einer stärkeren Konsolidierung betreiben will. Und schließlich entscheidet der weitere Verlauf der Pandemie wesentlich über die Staatsfinanzen, wie aktuell der Nachtragshaushalt mit seiner zusätzlichen Neuverschuldung zeigt.

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