Industriestrategie 2030 Wirtschaft zweifelt weiter an Altmaiers strategischen Zielen

Der Wirtschaftsminister will „europäische Champions“ in der Unternehmenswelt schaffen. Wirtschaftsverbände fürchten staatliche Interventionen.

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Fertigung von Rotornaben beim Windkraftanlagenbauer Nordex. Quelle: dpa

Berlin Die deutsche Wirtschaft geht bei der Industriestrategie verstärkt auf Konfrontationskurs zu Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte vor einem Kongress mit Altmaier am Montag in Berlin, für bessere Standortbedingungen seien in erster Linie weniger Bürokratie, niedrigere Steuern, wettbewerbsfähige Energiepreise sowie eine bessere Versorgung mit digitalen Netzen nötig.

„Eines besonderen Schutzes für bestimmte große Industriebetriebe durch staatliche Intervention bedarf es am Standort Deutschland hingegen nicht.“ Kritik kam auch vom Industrieverband BDI, der eine „explizite politische Förderung von Europäischen Champions“ skeptisch sieht.

Dies zielt gegen Altmaier, der sich für eine aktivere staatliche Industriepolitik einsetzt. Die im Februar vorgelegte „Nationale Industriestrategie 2030“ sieht vor, notfalls mit staatlicher Hilfe Arbeitsplätze zu sichern. In sehr wichtigen Fällen solle der Staat für einen befristeten Zeitraum Firmenanteile erwerben.

Angesichts der zunehmenden Konkurrenz auf Weltmärkten sagte Altmaier, im Wettbewerb zwischen Asien, den USA und Europa sei es notwendig, neue „nationale wie europäischen Champions“ zu schaffen.

In einem Thesenpapier des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) mit zehn Punkten heißt es, die deutschen Firmen stünden vor neuen Herausforderungen. Dazu gehörten der Wettbewerb mit Staaten, die verstärkt auf Protektionismus und Subventionen setzten, steigende Anforderungen durch die Digitalisierung sowie der demografische Wandel. Das Papier lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuvor hatte die „Welt am Sonntag“ darüber berichtet.

Der Fokus auf „europäische Champions“ und das Vorhaben, sie vor Wettbewerb oder Übernahmen zu schützen, lasse den für Deutschland so relevanten Mittelstand außen vor, heißt es in dem Papier. „Größe bedeutet nicht automatisch mehr Wettbewerbsfähigkeit.

Der DIHK fordert, die Standortbedingungen in den Blick zu nehmen, die für die Breite des Mittelstandes ein Investitionshemmnis darstellten. Ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit seien etwa eine schnelle und rechtssichere Plan- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben oder Gewerbeansiedlungen. „Hier besteht erheblicher Nachholbedarf in Deutschland.“

Statt einer staatlichen Intervention in einzelne Bereiche der Wertschöpfungsketten sollte der Staat vielmehr ein „innovationsfreundliches Umfeld“ ermöglichen - mit nicht mehr Regulierung als nötig, einer erstklassigen Forschung an Hochschulen und Instituten sowie einem verbesserten Technologietransfer in die Wirtschaft.

Damit deutsche und europäische Unternehmen im globalen Markt bestehen könnten, sei es aber notwendig, die bisherigen Regeln des Wettbewerbsrechtes zu überprüfen. Sie müssten so gestaltet werden, dass gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden. Das will auch Altmaier. Hintergrund ist die am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter gescheiterte Fusion der Zugsparten von Siemens und des französischen Konzerns Alstom.

In einem 31-seitigen Positionspapier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) heißt es, der Entwurf der Industriestrategie Altmaiers werde den Perspektiven des industriellen Mittelstandes nicht gerecht. Eine staatliche Investitionskontrolle dürfe kein Mittel der Industriepolitik werden. Gleiches gelte für den Plan, nach dem der Staat sich an Unternehmen beteiligen soll, die von fremden Investoren gekauft werden sollen.

Priorität sollte es laut BDI haben, den Wettbewerb zwischen marktwirtschaftlich und staatswirtschaftlich organisierten Wirtschaftsordnungen neu auszubalancieren.

Die Debatte über eine künftige Industriepolitik kommt zu einer Zeit, in der die deutsche Konjunktur sich abkühlt. Altmaier war bei Wirtschaftsverbänden schwer in die Kritik geraten, weil er zu wenig für den Mittelstand tue und für Steuerentlastungen der Firmen bisher nichts erreicht habe.

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