IPCC-Bericht des Weltklimarates Der Klimawandel kommt im deutschen Alltag an

Der IPCC-Bericht macht deutlich, dass die Erderwärmung unvermeidbare Fortschritte macht. Quelle: imago images

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Weltklimarat IPCC stellen ihren jüngsten Bericht vor: Darin werden unvermeidliche Fortschritte der Erderwärmung umrissen. Die Erkenntnis: Deutschland wird sich auf mehr Hochwasser, Hitze und Dürren einstellen müssen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Welt hat sich durch die Erderwärmung bereits verändert; auch in Deutschland wird es auf allen Ebenen darum gehen, sich dem Klimawandel anzupassen. Das ist der Tenor des neuen Berichts des Weltklimarates IPCC. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will den 6. IPCC-Sachstandsbericht und die Folgerungen für die Bundespolitik am Montagnachmittag in Berlin vorstellen.

Eine Lehre steht schon fest: Die Risiken für die Menschen nehmen zu und müssten auch in Deutschland zu einer Umstellung in der Land- und Forstwirtschaft, in der Stadtplanung oder im Gesundheitswesen führen. Mitautor Hans-Otto Pörtner, Bremer Biologieprofessor, spricht davon, dass wir mit „katastrophalen Klimarisiken rechnen müssen – je nachdem, wie schnell und wie weit wir den Ausstoß der Treibhausgase senken“. Die Folgen seien bereits sichtbar und spürbar: „Denken wir an das Absterben eines Teils unserer Wälder, die landwirtschaftlichen Verluste aufgrund der Dürre der vergangenen Sommer, besonders aber an die Toten der Ahr-Flut und die Tausenden Hitzetoten.“

Pörtner ist Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut und hat eine Arbeitsgruppe des IPCC über die Folgen und Anpassungsmöglichkeiten mit geleitet. In fünf Jahren Arbeit haben 270 Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt über 34.000 klimawissenschaftliche Veröffentlichungen ausgewertet.

Nicht nur international zeigen sich bereits gravierende Auswirkungen der Erwärmung, folgt man dem IPCC. „Die Möglichkeiten der Natur für unser Überleben zu sorgen, ändern sich mit dem Klimawandel enorm – Hunger nimmt zu, Wasser wird knapp“, so Pörtner. Auch in Mitteleuropa.

Für Deutschland gebe es aber Möglichkeiten, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen, betont Pörtner.  Veränderter Lebensmittelkonsum, der den Jahreszeiten folgt und an regionalen Erzeugnissen orientiert ist. Oder ein sparsamerer Wasserverbrauch in der Landwirtschaft.

Es sei weiter wichtig, den Ausstoß von Treibhausgasen schnell und umfassend zu senken. Denn diese Schritte seien in ihrer Wirkung begrenzt: „Die Anpassungsmöglichkeiten haben aber auch klare Grenzen – zu hohe Temperaturen schaden Menschen, Tieren und Pflanzen“, warnt Professor Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und ebenfalls beteiligt am Bericht.

Lesen Sie auch: Aus Angst vor Anwohnerzorn sollen sich Windräder vermehrt über staatseigenen Baumwipfeln drehen. Klingt einfach – ist es aber nicht.

Menschenleben in Gefahr, Ernteverluste und Waldsterben – das sind bereits sichtbare Folgen in Deutschland. Einzelne Kommunen und Forschungseinrichtungen zeigen bereits, wie sich die Menschen in gewissem Ausmaß darauf einstellen können. Beim Wiederaufbau an der Ahr und in anderen Überschwemmungsgebieten vom Juli 2021 könnten manche Grundstücke nicht wieder bebaut werden, die Hochwasserwarnkette muss verbessert werden für etwaige kommende Fluten, die Menschen bedrohen.

Die Stadt Freiburg hat zudem bereits vorgemacht, dass Stadtplanung reagieren kann. In der sonnenreichen wie warmen Stadt im Südwesten haben die Experten Hotspots ausgemacht, also Wohn- und Arbeitsorte, wo wenig Grün ist oder auch wenig natürliche Luftbewegung. Dort soll gezielt Abhilfe geschaffen werden. In der Landwirtschaft könnten trockenheitserprobte Sorten verstärkt angebaut werden.



Im Gesundheitswesen besteht nach Expertenaussage ebenfalls Bedarf zum Umsteuern. In heißen Sommern gebe es in Deutschland zwischen 6000 und 7500 Hitzetote, so europäische Zahlen und Einschätzungen unter anderem von der Hochschule Fulda. Dort wurde der erste Lehrstuhl in Deutschland eingerichtet, der sich mit dem Klimawandel und der Gesundheit beschäftigt. Eine Verbesserung könnten demnach Hitzeaktionspläne bringen. Damit sollen vor allem ältere und schwächere Menschen besser geschützt werden. Alleinstehende und Kranke könnten sich registrieren; in einer Art Patenschaft könnten dann andere Menschen regelmäßig nachschauen, ob die Betroffenen noch mit den Temperaturen klarkommen.

Mehr zum Thema: Nord Stream 2 ist politisch tot, die Gaspreise sind außer Kontrolle – und die ganze Strategie der deutschen Transformation steht plötzlich in Zweifel. Der Ökonom Lars Feld mahnt: Außen- und Wirtschaftspolitik werden für lange Zeit nicht zu trennen sein.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%