Justiz Die fragwürdigen Nebenverdienste der Richter

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Unabhängigkeit muss gewahrt werden

Es ist nicht so, dass Nebentätigkeiten von Richtern grundsätzlich anstößig wären. Viele Richter sind in der Nachwuchsausbildung tätig, lehren an Universitäten, korrigieren Klausuren und veröffentlichen Fachaufsätze. Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Teilnahme an Konferenzen ist sogar erwünscht: Zwar sollen Richter ihre Urteile unabhängig fällen, aber sie müssen auch die Gesellschaft kennen, über die sie befinden. Darauf beruft sich auch Gosch: „Gerade im Steuerrecht ist das unerlässlich. Woher sollen Sie denn sonst die Konstruktionen kennen, die da bei uns auf den Schreibtischen landen.“

Doch dass sie aus diesem Austausch auch persönlichen Profit schlagen, dafür gibt es kaum einen einleuchtenden Grund. Schließlich sind Bundesrichter hinter Ministern eine der bestbezahlten Berufsgruppen im öffentlichen Dienst. Im Monat stehen den Senatsvorsitzenden rund 9.600 Euro zu, einfache Richter erhalten 8.700 Euro.

Neben dem Steuerrecht scheinen vor allem Miet- und Wohneigentumsrecht Felder zu sein, in denen die wirtschaftlichen Akteure die Nähe zu Richtern suchen. So urteilte der Fünfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Herbst, dass Wohnungseigentümer unter Umständen die mit ihren Mietern vereinbarten Vorkaufsrechte bei Grundstücksverkäufen nachträglich einschränken können. Einer der mitentscheidenden Richter war Jürgen Schmidt-Räntsch – zugleich häufiger Gast bei den Fachtreffen der Wohnungsbranche.

Einseitige Tagungsauswahl

Beim „Kölner Verwalterforum“ referiert er einmal im Jahr über seine Entscheidungen. Auf der Tagung „Wir Wohnungseigentümer“ berichtet der Bundesrichter über die häufigsten Konfliktfelder in seinem Fachgebiet. Auch beim „Dachverband Deutscher Immobilienverwalter“ und beim „Jahrestag des Deutschen Erbbaurechtsverbands“ trug Schmidt-Räntsch zuletzt vor. Veranstaltungen bei Mieterverbänden hingegen sind nicht überliefert. Schmidt-Räntsch sieht seine Tagungsauswahl dennoch als unkritisch an: „Ich beschränke mich darauf, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorzutragen und zu erläutern.“ Zudem sei er nur für Wohneigentumsrecht zuständig. Eine interessante Haarspalterei.

Man kann die Liste solcher Fälle lange fortsetzen. Umso erstaunlicher, wie wenig umstritten das Thema in der Richterschaft selbst ist. Der Deutsche Richterbund hat 2012 einen Ethikkodex verabschiedet, die stellvertretende Vorsitzende Andrea Titz, im Hauptberuf Richterin am Oberlandesgericht München und zuletzt als Gerichtssprecherin im Fall Uli Hoeneß bekannt geworden, hat das Werk verantwortet.

„Der ganz überwiegende Teil der Richter übt keine Nebentätigkeit aus“, sagt sie. Im Ethikkodex taucht es dann auch nur als Randaspekt auf. Zehn ethische Grundsätze hat der Richterbund erarbeitet, in Nummer fünf – „Mäßigung“ – heißt es: „Sie nutzen ihre berufliche Position nicht zu ihrem persönlichen Vorteil und versuchen, jeden Anschein eines Missbrauchs zu vermeiden. Bei öffentlichkeitswirksamem Auftreten, insbesondere mit parteipolitischem Hintergrund, reflektieren sie mögliche Konflikte mit ihrem Amt.“ Die meisten Kollegen, sagt die Ethikbeauftragte, gerieten nie in solche Konflikte. „Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Richter diese Grundsätze wirklich verinnerlicht haben.“

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