Was die CDU jetzt am wenigsten braucht, ist ein seelsorgender Kümmerer. Also einen, der alle versteht, alle tröstet und es allen recht machen will. Der Typ des freundlichen Integrators tritt mit Armin Laschet ab – und hinterlässt eine frustrierte und ratlose Partei.
Was die CDU auch nicht braucht, ist ein Merkel-Erbe oder ein Testamentsvollstecker, also einen Vorsitzenden, der das Vermächtnis der liberal-mittigen Kanzlerin hegt und pflegt. Merkel hat ihre Verdienste, keine Frage, aber es „isch over“, um mit Wolfgang Schäuble zu sprechen. Für einen Neuanfang erscheint deshalb Merkels langjähriger Kanzleramtsminister Helge Braun schon von Amts wegen als nicht gerade idealtypisch. Und auch Norbert Röttgen, der von Merkel als Umweltminister entlassen wurde, steht als liberaler Christdemokrat im Verdacht, am Ende nur „more of the same“ zu bieten.
Also bleibt Friedrich Merz. Aber ist der nicht zu alt? Okay, Merz ist zweieinhalb Jahre älter als Olaf Scholz und sieht im Übrigen jünger aus. Aber ein Neuanfang ist keine Frage des Alters, sondern der Inhalte und des Stils. Und weil die CDU nicht mehr Regierungspartei ist und ab jetzt keine Kompromisse mehr mit Koalitionspartnern suchen muss, kann – nein: muss sie künftig mit klarer Kante auftreten, erkennbar werden und sich von der Ampelkoalition unterscheiden. SPD, Grüne und FDP erfahren doch gerade schmerzhaft, wie schwer es ist, eigene Positionen zu verteidigen und wie leicht das politische Profil in der Konsenssoße einer Koalition verschwinden kann.
Friedrich Merz ist aggressiver als Röttgen und Braun, er ist forscher und pointierter und er kann kämpfen. Das gefällt nicht jedem, aber die Partei braucht jetzt erst einmal einen Antreiber, einen Zuspitzer und einen Vorsitzenden, der den eigenen Laden mobilisieren kann und der klare Vorstellungen von Wirtschaft und Finanzen hat – ein Thema, das die Union lange vernachlässigt hat.
Muss Merz dann nicht auch Kanzlerkandidat werden? Nein, das wäre keine gute Idee. Aber der nächste Vorsitzende wird ohnehin nur für zwei Jahre gewählt und innerhalb dieser Zeitspanne sollte die Partei den Begriff „Kanzlerkandidatur“ sowieso tunlichst vermeiden. Was danach ist, wird man sehen. Im Moment ist es ja schon schwer genug, sich als CDU-Chef überhaupt länger als ein Jahr im Amt zu halten.
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