Kanzlerkandidatur abgesagt Gabriel macht den Lafontaine

Mit dem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erweist Sigmar Gabriel seiner Partei einen Bärendienst. Der Vorsitzende wird vom Zugpferd zum Klotz am Bein für die SPD.

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Sigmar Gabriel verzichtet auf SPD-Kanzlerkandidatur

Wer der Politik im Allgemeinen und einem Amt im Besonderen so etwas wie Würde verleihen will, wer Respekt gegenüber der eigenen Person und der Funktion einfordern will, der sorgt für eines: Berechenbarkeit. Selbst Donald Trump ist berechenbar, weil er derzeit genau das macht, was er stets angekündigt hat.

Der Vorsitzende der traditionsreichsten Partei Deutschlands, der SPD, ist es nicht. Sigmar Gabriel zeigt seiner Partei und allen Wählern in der Kanzlerkandidatenfrage die kalte Schulter. Oder unschöner ausgedrückt: den Stinkefinger.

Die, die schon länger dabei sind, denken an Oskar Lafontaine, der sich holterdiepolter von der Spitze verabschiedete und ins Saarland zurückzog.

Die Wechsel an der SPD-Spitze

Klar, Gabriel hat nie gesagt, dass er es macht. Aber er hat auch zu keiner Sekunde angedeutet, dass er sich nicht für geeignet hält. Im Gegenteil. Bei jeder Debatte hat Gabriel die Deutungshoheit für sich reklamiert: Von der inneren Sicherheit bis zum Umgang mit den USA, Russland oder der Türkei - Gabriel schwang stets das große Wort, auch wenn ihn diese Themen als amtierenden Wirtschaftsminister eigentlich nur am Rand interessieren mussten.

Das Signal, das er aussendete, war unmissverständlich: Hier ist einer, der kann das.

"Gabriel hinterlässt einen Trümmerhaufen"
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer Quelle: dpa
FDP-Chef Christian Lindner Quelle: dpa
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Gunther Krichbaum (CDU) Quelle: dpa
Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner Quelle: dpa
Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke Quelle: dpa
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach Quelle: dpa
Grünen-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt Quelle: dpa

Und nun die Absage. Nach dem Abtauchen von Oskar Lafontaine, nach dem politischen Meuchelmord an Gerhard Schröder, nach der halbherzigen Entscheidung für Peer Steinbrück ist es der SPD wieder nicht gelungen, einen Kanzlerkandidaten unfallfrei aufs Schild zu heben.

Es mag ja sein, dass bis zum Wahltag am 24. September noch viel Wasser den Rhein, die Donau und die Spree hinabfließt und einen neuen Mann wie Martin Schulz nach oben spült.

Aber im Gedächtnis der Wähler, Parteimitglieder und Genossen verbindet sich mit der Entscheidung ihres Vorsitzenden ab heute ein Gefühl. Es heißt: Enttäuschung. Und das schadet der Partei.

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