Klimafonds-Mogelpackung Steigende CO2-Abgabe, aber kein Energiegeld zum Ausgleich in Sicht

Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen Quelle: dpa

Es klafft eine Lücke in der Klimapolitik der Ampel: Angeblich wollen alle in der Koalition das Energiegeld, das bei steigenden Kosten fürs Tanken und Heizen entlasten soll. Doch niemand scheint es eilig damit zu haben.

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Es ist ein großes, uneingelöstes Versprechen der Klimapolitik und könnte die Regierung am Ende schwer in Misskredit bringen: Einerseits erhöht die Koalition in Jahresschritten die CO2-Abgabe, die fällig wird, wenn jemand an der Säule Benzin zapft oder Gas und Öl zum Heizen kauft. Andererseits fließt dieses Geld nicht als Energie- bzw. Klimageld zurück an die Menschen, die so nach dem Willen des Koalitionsvertrages pro Kopf entlastet und beim Umstieg auf andere Energiequellen unterstützt werden sollten.

Dieser wachsende Widerspruch, der die ganze Klimapolitik in Misskredit bringen kann, wird nun in den neuesten Zahlen der Bundesregierung offenbar. Nachdem der Klima- und Transformationsfonds (KTF) per Kabinettsbeschluss aufs nächste Jahr hin ausgerichtet wurde, zeigt sich: Der KTF, ein Nebenhaushalt zum Umbau der Wirtschaft in Sachen Klimaschutz, ist ein ziemlich großes Investitions- und Konjunkturprogramm. Allerdings bringt die Regierung darin inzwischen alles Mögliche unter, wofür sie Geld braucht. Langfristige Zuschüsse für den Umstieg auf Wasserstoff, auch die Förderung für den noch immer nicht klar geregelten Heizungstausch, seit neuestem auch Investitionen in die Schiene und Milliardensubventionen für den Bau von Chipfabriken.

Höhere Preise an der Zapfsäule und fürs Heizen

In den vier kommenden Jahren will die Koalition etwa 212 Milliarden Euro aus dem Fonds ausgeben. Ein enormes Konjunktur- und Subventionsprogramm. Dieses Jahr stehen 36 Milliarden Euro im KTF-Plan, 2024 sollen es sogar knapp 58 Milliarden Euro sein. Noch ist bei Weitem nicht diese Summe vorhanden. Weiter gespeist wird der Fonds vor allem durch Einnahmen aus der CO2-Abgabe auf Brennstoffe, die im Verkehr und beim Heizen zum Einsatz kommen. Die Abgabe soll von heute 30 Euro je ausgestoßener Tonne Treibhausgas aus Brennstoffen auf 40 Euro im kommenden Jahr und dann 50 Euro im Jahr 2025 steigen.

Das bedeutet, dass der Liter Benzin in diesem Jahr knapp neun Cent und der Liter Diesel bzw. Heizöl knapp zehn Cent teurer sind als ohne die Klima-Abgabe. Im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr geht es dann pro Liter noch einmal um jeweils etwa drei Cent nach oben.

An dieser CO2-Bepreisung ist wenig auszusetzen, reizt sie doch Innovationen in andere Technologien an und unterstützt den Umstieg auf erneuerbare Energie zuerst dort, wo herkömmliche fossile Energie leichter zu ersetzen ist. Doch treffen die Kosten die Menschen recht unterschiedlich. Fernpendlerinnen müssen deutlich mehr zahlen, Bewohner schlecht gedämmter Häuser ebenso. Ärmere zahlen zudem einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie als Reiche – obwohl diese im Schnitt deutlich mehr Energie verbrauchen. Für den sozialen Ausgleich hatte deshalb die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag fest versprochen, dass ein Klimageld pro Kopf ausgezahlt werden solle – aus ebendiesen Einnahmen des CO2-Preises.

Finanziert werden soll das jährliche Energiegeld durch den CO2-Preis. 

Die Einnahmen nimmt der Staat, die Rücküberweisung bleibt aus 

Seit 2021 gibt es die Abgabe, die stetig steigen soll, ehe ab 2027 ein europäisches Emissionspreissystem gelten soll, dessen Preise am Markt entstehen sollen. Dabei kamen bereits 2022 rund 8,7 Milliarden Euro zusammen – Einnahmen steigend.

Die Grünen hatten das Energiegeld im Koalitionsvertrag festschreiben lassen. Noch im vergangenen Jahr sollte ein Weg gefunden werden, wie das Geld über die Steuer-ID an die Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt werden könnte. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte sich eine erste Auszahlung für Januar dieses Jahres gewünscht.

Der Finanzminister scheitert am Überweisungsmechanismus

Alle wollten es so tun. Doch nun wächst der Klima- und Transformationsfonds kräftig durch das CO2-Geld und ausgegeben wird der Milliardenbetrag für die Ansiedlung von Chipfabriken wie in Magdeburg und Dresden, für die E-Mobilität, die Erschließung neuer Rohstoffquellen und vielleicht auch für einen ermäßigten Strompreis für die Industrie. Hier wird das Geld ausgegeben, das im regulären Haushalt nicht zu finden ist – für alles, was nach Zukunft klingt.  

Im Bundeswirtschaftsministerium, das von Robert Habeck (Grüne) geleitet wird, heißt es, die Ausgaben seien alle eng mit dem Zweck des Klimaschutzes und des Umbaus der Wirtschaft verbunden. Das Klimageld könne leider noch nicht angegangen werden, weil der Bund keinen einheitlichen und simplen Weg gefunden habe, das Geld an alle Bürgerinnen und Bürger, vom Baby bis zum 100-Jährigen, auszuzahlen.

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Dafür sei im übrigen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuständig.

Inzwischen nutzt der Wirtschaftsminister das Geld für Industriepolitik

Die Bundesregierung riskiert also das Scheitern eines wichtigen Teils der Klimaschutzpolitik, weil sie den Menschen zwar Steuern und Abgaben für diesen Schutz abnimmt, die versprochenen Rücküberweisungen aber nicht organisiert bekommt. Während der Finanzminister im Ungefähren bleibt, findet der Wirtschaftsminister für all das Geld Zwecke, für die er es ausgeben kann. Und die Bundesregierung als ganze bricht ihr Wort an einem wichtigen Punkt, der alle Menschen im Land trifft.

Christian Lindner will sich bei seiner Suche nach einem Überweisungsmechanismus nur noch so festlegen, dass „noch in dieser Legislaturperiode“ die Voraussetzungen geschaffen werden sollten, um die Treibhausgas-Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen.   

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Eigentlich wollte die Ampelkoalition eine nachvollziehbare und sozial ausgeglichene CO2-Bepreisung durchsetzen. Geblieben ist nur der CO2-Preis, fürs versprochene Energiegeld angesichts all der neuen Ausgaben dann kein Geld mehr übrig.

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