Kongress für intelligente Transport-Systeme „Die digitale S-Bahn wird den Schienenverkehr in Europa revolutionieren“

Der autonom fahrende Kleinbus HEAT kurvt seit einigen Monaten durch Hamburgs Hafencity. Quelle: Presse

Autonom fahrende Busse, Ampeln mit WLAN-Sender: Hamburgs grüner Verkehrssenator Anjes Tjarks präsentiert die Stadt beim ITS-Weltkongress stolz als Modell für Verkehr. Was ist Show? Was wird den Verkehr revolutionieren?

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Anjes Tjarks ist nicht nur Hamburger Verkehrssenator, der 40-jährige Grünen-Politiker führt auch den Titel „Senator für Mobilitätswende“. Eine Berufsbezeichnung, die perfekt zum Weltkongress für intelligente Transport-Systeme (ITS) passt, der in diesen Tagen in Hamburg stattfindet. Mit 42 Mobilitäts-Projekten will Hamburg die Welt beeindrucken. 

WirtschaftsWoche: Herr Tjarks, was kann die Welt von Hamburg bei der digitalen Mobilität lernen?
Anjes Tjarks: Die Welt kann lernen, dass es sehr wichtig ist, dass Digitalisierung im Verkehrssektor immer mitgedacht werden muss. Dafür ist eine ermöglichende Verwaltung nötig. Eine Bevölkerung, die Lust auf Innovation hat. Und ein Ökosystem, das mehr Leute, Firmen und Innovationen anzieht. So wie in Hamburg.

Welche Projekte des ITS-Weltkongresses beeindrucken Sie am meisten?
Wir haben eine digital gesteuerte S-Bahn vorgestellt, die vollautomatisch fährt. Erstmals weltweit haben wir einen Standard umgesetzt, der dazu führen kann, dass 25 Prozent mehr Züge über die Strecken fahren. Wenn wir über das Thema Klimaschutz und Mobilitätswende reden, sind die nächsten zehn Jahre entscheidend. Da hilft rein zeitlich kein Neubau, sondern die Digitalisierung der Strecke.

Der Grünen-Politiker Anjes Tjarks ist Verkehrssenator von Hamburg und führt zudem den Titel „Senator für Mobilitätswende“. Quelle: Presse

Was noch?
Wir haben mit Volkswagens Mobilitätsanbieter MOIA Europas größtes elektrifiziertes Ridepooling-System vorgestellt. Dieses System soll 2025 in den autonomen Betrieb gehen. Die autonom fahrenden Kleinbusse sollen vor allem im äußeren Stadtgebiet die Menschen erreichen.

Seit einigen Monaten kurvt ja bereits der autonom fahrende Kleinbus HEAT durch die Hafencity. Wie läuft das Projekt?
Das klappt schon ganz gut. Allerdings muss man für HEAT die Infrastruktur umbauen. Denn es gibt nicht nur Sensoren im Fahrzeug, sondern auch auf der Straße. Wenn man alles autonom machen möchte, wäre dieses System zu teuer.

Andere Projekte sind Wärmebildkameras an Ampeln, Parkplatzsensoren und Ampeln mit WLAN-Sendern. Welche Rolle werden diese Systeme in Zukunft in Hamburg spielen?
Das Thema intelligente Ampeln wird eine zentrale Rolle für den Verkehrsfluss spielen. Ein anderes Projekt nennt sich beispielsweise BiDiMoVe, das ist eine Art Busbeschleunigung 2.0. Busse und Ampeln können miteinander kommunizieren, so dass der Verkehr besser läuft. Die Ampel kann beispielsweise analysieren, ob ein anderer Bus mehr Verspätung hat und deshalb beim Abbiegen auf eine Straße vorgelassen wird. Die Auslastung von Bussen, die Gesamtverkehrslage können berücksichtigt werden. Auch können Autofahrer vor Gefahren gewarnt werden.

Welche Projekte sind Spielerei – welche werden als Verkehrs-Realität bleiben?
Es gibt kleine Projekte, die aber eine große Auswirkung über den Kongress hinaus haben. Ein Projekt mit dem Namen Falke etwa: Eine Drohne, die wie ein Falke andere Drohnen fängt – etwa an Flughäfen. Das ist ein Feinschmecker-Thema, das bleibt. Dann haben wir die digitale S-Bahn, die den Schienenverkehr in Europa revolutionieren und sicherer machen wird. Auch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs werden wir verändern.

Wie schwierig eine Mobilitätswende ist, zeigt Hamburg: Die Stadt, in der Autopendler am längsten im Stau stehen, inszeniert sich als Modellstadt. Der Erfolg? Findet vor allem im Konjunktiv statt.
von Volker ter Haseborg

Wie denn?
Der Hamburger Verkehrsverbund hat eine Switch App, mit der man nicht nur Tickets für Bus und Bahn buchen kann, sondern auch Autos, Fahrräder und Elektroroller mieten kann. In Zukunft wollen wir das weiterentwickeln. Arbeitgeber sollen einen Betrag als Mobilitätsbudget vorgeben können – und die Mitarbeiter sollen das mit der App abfahren können. Auch soll man sich mit der App ein- und auschecken können. Das heißt: Die App erfasst die Angebote, die man nutzt und berechnet den Preis. Man braucht keine Tarifkenntnisse mehr – die App erledigt alles. Mit der App hat man immer Zugriff auf ein Auto – ohne selbst eins besitzen zu müssen. Zum Beispiel ein Auto vom Carsharingdienst Vay: Das ist ein Telefahr-Dienst. Nutzer, die in Gebieten wohnen, wo nicht so viele Carsharing-Autos stehen, können ein Auto anfordern. Die Fahrzeuge werden dann fahrerlos zum Kunden kommen, gelenkt von einem Fahrer, der vor einem Bildschirm im Büro sitzt. Das soll schon 2022 in Hamburg als Weltpremiere an den Start gehen.

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