Munitionsmangel bei der Bundeswehr Wirklich alle Beteiligten wussten um alle Probleme – auch schon vor Kriegsbeginn

Munition für das Gewehr HK G36. Quelle: imago images

Seit einer Woche hat der Streit um die fehlende Munition in Deutschland einen neuen Tiefpunkt im Niveau erreicht. Ein fatales Zeichen vor der heute stattfindenden Sicherheitskonferenz in Berlin. Ein Kommentar.

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Eigentlich sollte die Landesverteidigung eine ernste Angelegenheit sein. Stattdessen erleben Freundinnen wie Feinde der Bundesrepublik aktuell ein unwürdiges Zanken im Sandkasten – und das nach mehr als neun (!) Monaten Zeitenwende. Man möchte den Streitenden zurufen: Mir ist egal, wer angefangen hat! Get. It. Done! Gerade vor der heute stattfindenden Berliner Sicherheitskonferenz mit Gästen wie dem Norwegischen Premierminister oder dem Generalsekretär der NATO setzt der Streit ein fatales Zeichen. 

Vor rund einer Woche ging das Theater los, als die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Nicht-Antwort von der Bundesregierung erhielt: Wie lange die Munition der Bundeswehr im Ernstfall reiche, wollte die Union wissen und bekam nur eine trockene Absage wegen Sicherheitsbedenken. Berichte über leere Patronenlager nach nur zwei Tagen heizten die Debatte noch einmal an. Und schon am Wochenende teilte der Soldatensohn und SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gegen die Rüstungsindustrie aus: Er habe erwartet, dass die Rüster ihre Kapazitäten zu Beginn des Ukraine-Kriegs und der Zeitenwende ausgebaut hätten. Die Unternehmen keilten zurück: Die Regierung habe viel angekündigt, dann Angebote verstreichen lassen und schlicht nicht bestellt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihre Leute seien überfordert, heißt es gegenüber der WirtschaftsWoche.

Am Montagabend folgte das vorläufige Finale des Trauerspiels: Das Kanzleramt lud führende Rüster zu einem Krisengipfel. „Jetzt bitte eine Lösung!“, lautete die Botschaft. Zwei Stunden lang forderten die Unternehmer daraufhin belastbare Zusicherungen. Als Antwort gab es offenbar nur weitere Ankündigungen. Bedarfslisten der Bundeswehr werde es geben, mit deren Hilfe die Arbeit doch dann losgehen könne. Klare Aufträge, Rahmenverträge, Zeitpläne? Fehlanzeige. Gelöst ist also im Grunde gar nichts. Dabei beschrieben Medien schon im Februar ausführlich die Munitionsknappheit. Auch die WirtschaftsWoche hatte damals berichtet, inklusive der Zwei-Tage-Erwähnung. Nichts davon ist neu.

Auch weiß Lars Klingbeil sehr wohl, dass die Rüstungsindustrie nicht einfach auf Risiko extrem teure Produktionsanlagen aufbauen kann, ohne dafür Sicherheiten zu erhalten. Bereits im März hatte Rheinmetall-Chef Armin Pappberger angekündigt: „Bei der Munition können wir innerhalb von sechs bis zwölf Monaten die laufende Fertigung hochfahren, etwa indem wir statt einer Schicht in zwei Schichten produzieren.“ Mit einem klaren Auftrag oder wenigstens einer glaubhaften Abmachung hätte es also mittlerweile durchaus losgehen können.

Auf der anderen Seite wissen auch die Rüster, dass das Argument „Keiner hat bestellt“ zu kurz greift. In seinem März-Interview erwartete Papperger einen genauen Zeitplan für die Produktion erst, „sobald der Bundestag den Haushalt 2022 und den Sonderfonds verabschiedet hat.“ Auch die Industrie hätte also stärker in den Kontakt treten und mögliche gemeinsame Wege auch neben der offiziellen Bestellung aufzeigen können. 

Kurzum: Wirklich alle Beteiligten wussten um alle Probleme – seit Beginn des Krieges und schon vorher. Es gab genug Zeit, um nötige Sicherheiten zu schaffen. Allein der Wille, vielleicht auch die Kreativität scheint gefehlt zu haben. Stattdessen entsteht jetzt auf einmal ein sehr merkwürdiger Streit, in dem es eindeutig auch um lange aufgebautes Misstrauen und um Personalfragen in der SPD geht. So bleibt ein denkbares Szenario: Innenministerin Nancy Faeser tritt 2023 in Hessen als Spitzenkandidatin an, Lambrecht wechselt ins Innenministerium und Klingbeil wird doch noch Verteidigungsminister im Bendlerblock.

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