Neue Märkte Warum die deutsche Regierung eine bessere Afrika-Strategie braucht

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besuchte Anfang Februar das Institut Pasteur in der senegalesischen Hauptstadt Dakar.  Quelle: dpa

Wofür die Afrikapolitik Deutschlands steht, war Entscheidern aus Afrika und deutschen Unternehmen zuletzt unklar. Das muss die Ampel-Koalition nun ändern. Dabei geht es nicht nur um Lieferketten. Ein Gastbeitrag.

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Prof. Dr. Heinz-Walter Große ist Mitglied des Vorstands der B. Braun Familienholding SE & Co. KG und Vorsitzender der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI), die partnerschaftlich getragen wird vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) und dem Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft.

In den letzten Jahren haben unterschiedliche Interessen der beteiligten Bundesministerien eine deutsche Afrikapolitik aus einem Guss eher verhindert, jedenfalls nicht vorangetrieben. Den Entscheidern aus den afrikanischen Ländern, aber auch unseren Unternehmerinnen und Unternehmern wurde zuletzt kaum vermittelt, wofür die Afrikapolitik der Bundesregierung steht.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wird die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten nun auf einer halben Seite erwähnt. Ziele einer einheitlichen und modernen deutschen Afrikapolitik sollten sein:

  • Die afrikanisch-deutschen Handelsbeziehungen müssen ausgebaut werden – insbesondere durch eine intensivierte Begleitung der panafrikanischen Freihandelszone.
  • Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima sollte der zentrale Akteur afrikabezogener Wirtschaftspolitik der Bundesregierung werden.
  • Die wirtschaftsbezogenen Aktivitäten und Instrumente des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung müssen eng mit den Initiativen der deutschen Außenwirtschaftsförderung verzahnt werden.
  • Die Bedarfe unserer afrikanischen Partner sollten bei der Entwicklung der deutschen Afrikapolitik zunächst dezidiert erfasst und bei deren Umsetzung natürlich berücksichtigt werden.

Bei der auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgehende G20-Initiative „Compact with Africa“ hat die Bundesregierung den richtigen Kurs eingeschlagen. Reformen einzelner afrikanischer Länder für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sollten auch in Zukunft durch verstärkte politische Unterstützung und unternehmerisches Engagement von Seiten der Industrieländer belohnt werden. Wichtig dabei ist, dass der Kreis der bisher beteiligten zwölf afrikanischen Staaten deutlich erweitert wird.

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Auf Eigeninitiative setzen 

Auch bei dieser Initiative gilt das Primat des Dialogs: Wir müssen immer wieder bei unseren afrikanischen Partnern für unsere Ideale werben. Beim deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist gerade dieser Aspekt bislang zu kurz gekommen. Das hat zu Missverständnissen auf afrikanischer Seite geführt, denen wir nun durch einen gelebten Dialog auf Augenhöhe begegnen sollten.

Es wird auch wichtig sein, dass wir verstärkt auf die Eigeninitiative unserer afrikanischen Partner setzen. In diesem Zusammenhang ist es sehr erfreulich, dass der neue Koalitionsvertrag die Unterstützung für den Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten im Rahmen der Afrikanischen Freihandelszone bekräftigt. 

Fragmentierte Märkte bremsen

Es ist im Interesse der Menschen in Afrika und auch der deutschen Wirtschaft, wenn sich Afrika auf den Weg zu einem Binnenmarkt mit rund 1,3 Milliarden Menschen macht. Freier Handel und offene Grenzen können für die afrikanischen Gesellschaften zu einem echten „Gamechanger“ werden. Bislang sind die Märkte aus Sicht der allermeisten Unternehmen fragmentiert und schwierig zu bearbeiten.

Zu mehr Wohlstand wird die Freihandelszone allerdings erst dann beitragen, wenn nicht nur Zölle und Zollbürokratie abgebaut, sondern auch moderne, länder- und Regionen übergreifende Infrastrukturen aufgebaut werden. Hier können insbesondere unsere beratenden Ingenieure sowie die Maschinen- und Anlagenbauer einen wichtigen Beitrag für den notwendigen Know-how- und Technologietransfer leisten.

Neben dem Start der Freihandelszone zu Beginn dieses Jahres gibt es weitere Entwicklungen, die uns für ein stärkeres Engagement der deutschen Wirtschaft in Afrika begeistern sollten:

  • Die deutschen Exporte nach Afrika sind in den ersten zehn Monaten dieses Jahres um über 15 Prozent gewachsen. Bei den Einfuhren beträgt das Plus sogar 40 Prozent.
  • Der World Business Outlook – eine Befragung der deutschen Auslandshandelskammern unter mehr als 3.000 Unternehmen weltweit – fördert zu Tage, dass viele Optimisten gerade unter unseren Firmen in Afrika zuhause sind: Stärker als in den meisten anderen Weltregionen zeigen die Geschäftserwartungen, die Investitionspläne sowie die Beschäftigungsabsichten nach oben.
  • Die Bundesregierung setzt zur Umsetzung ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie im großen Stil auf Importe. Hiervon könnten insbesondere afrikanische Länder profitieren – und die Vernetzung unserer Volkswirtschaften voranbringen.

Gleichwohl braucht es eine bessere Unterstützung für deutsche Firmen, die einen Eintritt auf die afrikanischen Märkte wagen wollen. Denn das Geschäft der Unternehmen wird in vielen afrikanischen Ländern weiterhin mit einem hohen politischen Risiko verbunden sein. Im Bereich der finanziellen Absicherung dieser Risiken erfahren deutsche Unternehmen im Vergleich zu Konkurrenten aus anderen Industrienationen bereits seit Langem Wettbewerbsnachteile.

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Weiterhin sprechen wir uns für die Unterstützung afrikanischer Unternehmen bei ihrer Integration in deutsche und europäische Wertschöpfungsketten aus. Programme, die den Betrieben beim Umgang mit den europäischen nicht tarifären Handelshemmnissen helfen, sollten ausgebaut werden. Beispielhaft möchte ich hierbei das vom BMZ finanzierte und beim BGA angesiedelte „Import Promotion Desk“ nennen.

Wir werden vor allem dann erfolgreich sein, wenn Politik und Wirtschaft gemeinsam für ein größeres Engagement unserer Firmen werben. Denn eines gilt für die Wirtschaft hierzulande wie auch in den 54 afrikanischen Ländern: Es sind die Unternehmen, die Beschäftigung und Einkommen schaffen, junge Menschen ausbilden und durch ihre Abgaben und Steuern (hoffentlich) gutes staatliches Handeln erst ermöglichen.

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