Ökonom Straubhaar „Italienisches Bürgergeld ist kein Vorbild für Deutschland“

Quelle: imago images

Ökonom Thomas Staubhaar von der Universität Hamburg hält das neue „Bürgergeld“ in Italien für populistisch. Er fürchtet, dass dieses Projekt der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens eher schadet.

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WirtschaftsWoche: Herr Straubhaar,  Sie sind seit Langem ein Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens. Freut es Sie, dass die italienische Regierung jetzt in diese Richtung geht und ein „Bürgergeld“ von 780 Euro für bedürftige Alleinstehende und von 1280 Euro für Familien mit zwei Kindern einführt?
Thomas Staubhaar: Nur im Prinzip. Fakt ist: Alle europäischen Volkswirtschaften stehen vor den gleichen Herausforderungen von demografischer Alterung und Digitalisierung, das schreit geradezu nach neuen Konzepten in der Sozialpolitik. Ein Grundeinkommen liefert da passende Antworten.  Aber in der Praxis ist das italienische Modell nichts anderes als populistisch. Es ist nur ein zusätzliches Wahlgeschenk und lässt alles Alte und Überholte des italienischen Sozialstaates unversehrt.

Italien ist hoch verschuldet und will das neue Grundeinkommen offenbar komplett auf Pump finanzieren. Viele Ökonomen halten das für finanzpolitischen Irrsinn.
Ja, das ist in der Tat finanzpolitisches Irrlichtern. Die italienischen Populisten wissen genau, dass sie in einer spielstrategisch günstigen Lage sind, weil sie „too big to fail“ für den Euro-Raum sind - also zu groß, um Pleite zu gehen.

Nur zur Erinnerung: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Italien gut zehnmal so groß wie Griechenland. Andererseits ist Italien für die stärkeren Euro-Länder – und damit auch für Deutschland – „too big to save“, was bedeutet, dass es nicht von außen gerettet werden kann, sondern aus dem Inneren heraus genesen muss. Einfache Antworten auf die komplexen Probleme, die ihre Wurzeln noch im vergangenen Jahrhundert haben, gibt es nicht, auch wenn Populisten im Norden wie im Süden das Gegenteil behaupten!

Prof. Dr. Thomas Straubhaar, geboren 1957, ist ein Schweizer Ökonom und Migrationsforscher. Er ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg. Quelle: imago images

Anders ausgedrückt: Was die Italiener sozialpolitisch durchziehen, ist kein Modell für Deutschland?
Für Deutschland ist Italien überhaupt kein Modell. Im Gegenteil, das Bürgergeld liefert den Gegnern eines Grundeinkommens hierzulande sogar weitere Argumente für ihre Ablehnung, weil das Modell in keiner Weise finanzierbar ist ohne neue Schulden. Hauptschwäche ist, dass es kein neues System ist, das das Alte ersetzt oder zumindest verbessert. Vielmehr läuft das alte italienische Sozialsystem weiter so unrund wie bisher - und die gröbsten Verwerfungen werden nun mit neuem Geld und zusätzlichen Schulden nur scheinbar geheilt. Das ist kein nachhaltiges Konzept.

Experten sagen für 2019 einen Rückgang der italienischen Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent voraus. Könnte das Bürgergeld zumindest die Konsumausgaben nach oben treiben und so die Konjunktur ein Stück weit stabilisieren?
Ja, das würde ich nicht ausschließen. Das Bürgergeld basiert auf schuldenfinanzierten Staatsausgaben, die einen starken Konsumeffekt und damit einen hohen Multiplikatoreffekt haben werden - weil die Begünstigten das Geld in hohem Maße und schnell ausgegeben dürften.

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