Pharmaindustrie So wird Deutschland wieder die Apotheke der Welt

Die Pharmaindustrie benötigt mehr Beachtung von der Politik. Quelle: dpa

Eine leistungsfähige und innovative Pharmaindustrie sorgt nicht nur für mehr Wohlstand, sondern garantiert auch eine sichere Gesundheitsversorgung. Die deutsche Politik hat das leider nicht erkannt. Ein Gastbeitrag.

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Deutschland in der Zeitenwende: Unser Land befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel seiner industriellen Kultur. Benötigt werden nachhaltige, hochproduktive und krisenresiliente Industrien. Als wichtige Schlüsselindustrie erfüllt Pharma all diese Anforderungen und ist mit Abstand die innovativste Industrie in Deutschland, die zur notwendigen Transformation beitragen kann. Um diese Innovationskraft am Leben zu halten, braucht es jedoch Rahmenbedingungen, die wissenschaftlichen Fortschritt honorieren und geistiges Eigentum schützen.

Das im vergangenen Jahr vom Bundestag abgesegnete Finanzstabilisierungsgesetz für die gesetzlichen Krankenversicherungen war ein politischer Schnellschuss und weist in die entgegengesetzte Richtung: Es wird die Arzneimittelversorgung massiv verschlechtern, und es gefährdet den Standort. Durch Zwangsabschläge und Zwangsrabatte wird Innovation stark eingeschränkt. Darüber hinaus greift das Gesetz massiv in die etablierten Mechanismen der Nutzenbewertung und Preisfindung bei neuen Arzneimitteln ein und setzt damit ein bewährtes System außer Kraft.

Die Konsequenz: Der bereits heute erkennbare Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft wird sich weiter verschärfen.

Zur Person

Resilienz und Unabhängigkeit stärken

Die zurückliegende Pandemie hat gezeigt, dass eine starke Pharmaindustrie strategische Unabhängigkeit bedeutet. Wenn wir auf aktuelle Lieferengpässe blicken, stellen wir jedoch fest: Die Versorgungskrise bei Generika ist eine politisch ausgelöste Krise. Sie basiert auf den sich über viele Jahre nach unten übertreffenden Rabattverträgen für Generika. Die Krise machte Deutschlands Abhängigkeit bei Rohstoffen und Produktion schmerzlich bewusst. Wir dürfen uns nicht bei der Arzneimittelversorgung von ein paar wenigen Herstellern in China oder Indien abhängig machen, nur weil einseitig auf die Kosten geschaut wird. Was es jetzt braucht, ist eine umfassende Stärkung der Widerstandsfähigkeit in der Arzneimittelversorgung.

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Die Stärke der Pharmaindustrie liegt in hochwertigen, forschungsintensiven und innovativen Produkten. Für den Standort Deutschland ist die forschende Pharmaindustrie als Innovationsgarant nicht zu ersetzen. Die Coronakrise hat vor Augen geführt, dass ein exzellenter Forschungsstandort einer der wichtigsten Faktoren für die Bewältigung großer Gesundheitskrisen ist. Dies beinhaltet neben der Impfstoff- und Wirkstoffentwicklung auch ein funktionierendes Produktionsnetzwerk, schnelle Genehmigungsverfahren, global vernetzte Logistik und modernen Spezialmaschinenbau.

Die Konkurrenz wird stärker

Aber die Attraktivität anderer Regionen und Märkte steigt. Der Rückstand der EU gegenüber den USA wird immer größer. Auch in China steigen die Investitionen in Pharmaforschung rapide an. Mit seiner wachsenden Forschungs- und Entwicklungsleistung und seiner effektiven Umsetzung in neue Produkte wird China zum ernsthaften Konkurrenten im pharmazeutischen Hightechsegment. Ein wichtiger Parameter ist auch die Zahl der klinischen Studien, bei denen Deutschland im internationalen Vergleich seit Jahren an Boden verliert. Um Medikamente vor der Zulassung auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu prüfen, setzen Pharmaunternehmen zunehmend auf Forschungszentren in den USA, China, Spanien, Großbritannien oder Kanada. Deutschland kommt nur noch abgeschlagen auf Platz 6.

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von Jürgen Salz

Ein weiteres Hemmnis für den pharmazeutischen Fortschritt in Deutschland ist der mangelnde Zugriff von Pharmaunternehmen auf Gesundheitsdaten. Hier muss sich im Rahmen des geplanten Gesundheitsdatennutzungsgesetzes dringend etwas ändern und forschenden Unternehmen das Antragsrecht beim Forschungsdatenzentrum gewährt werden.

Verlässlicher Rahmen und staatliche Anreize

Zur Stärkung der Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit brauchen wir einen unterstützenden Rahmen. Dazu gehören die Verschlankung von Genehmigungsverfahren und der Abbau von Bürokratiehürden. Aber auch die Schaffung von Anreizsystemen für Investitionsentscheidungen wie zum Beispiel Forschungsförderung. Diese ist ein wichtiges Instrument, um den Investitionsstandort Deutschland zu stärken. In den meisten OECD-Ländern sind die förderfähigen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen wesentlich höher angesetzt als in Deutschland. Daher gilt es, die Bemessungsgrundlage auszuweiten, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.

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Die Pharmaindustrie ist ein zentraler Baustein für die technologische Souveränität Deutschlands und Europas. Nur mit einer innovationsorientierten Handels- und Standortpolitik können wir die Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen dauerhaft sicherstellen. Die Ampelkoalition muss sich diesen Aufgaben jetzt zuwenden und eine zukunftsgerichtete Innovations- und Industriepolitik betreiben. Daran entscheidet sich, ob es auch in Zukunft noch eine nennenswerte pharmazeutische Forschung, Entwicklung und Produktion am Standort Deutschland und in Europa geben wird.

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