Reale Kosten sind viel höher Heils Grundrente vernachlässigt das ökonomische 1×1

Hubertus Heils Grundrente wäre viel teurer als veranschlagt Quelle: dpa

Eine Grundrente käme Steuerzahler unter dem Strich viel teurer als von Hubertus Heil veranschlagt. Die gesamtwirtschaftliche Rechnung unseres Gastautoren offenbart, wie unverantwortlich diese Idee ist.

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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat in einem Positionspapier vorgeschlagen, Zuschläge von bis zu 447 Euro pro Monat für Arbeitnehmer mit mindestens 35 Erwerbs- oder Pflichtjahre zu gewähren. Die Beitragsjahre müssen in Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit erbracht worden sein, wobei auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet werden soll. Davon profitieren sollen drei bis vier Millionen Menschen, wobei der Minister in einem Interview den Finanzbedarf für eine monatliche Grundrente von 900 Euro mit Kosten von sechs Milliarden Euro für den Steuerzahler bezifferte.

Dieser Ansatz ist ökonomisch weithin verfehlt und kostet den Staat längerfristig – bei Beachtung langfristiger Wachstumseffekte – noch etwa sieben Milliarden Euro zusätzlich und die Bürger sogar noch mehr. Das ergibt sich aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommensdämpfungseffekt von Heils Projekt. Der Minister übersieht, dass eine steuerfinanzierte Grundrente aus einer ökonomischen Wachstumsperspektive folgendes Doppelproblem ergibt:

1. Sparquote, Wirtschaftsleistung und Anreize sinken

Es sinkt der Anreiz für einen Teil der Arbeitnehmer, sich selbst um einen ökonomischen Aufstieg zu bemühen, der mit höheren Einkommen und Beiträgen an die Sozialkasse einhergeht. Arbeitnehmer, die etwa 30 bis 34 Jahre Rentenbeiträge eingezahlt haben, dürften im Fall von Geringeinkommensbeziehern schlechter dastehen, als die von Heil begünstigte Gruppe mit 35 Jahren Beschäftigung ohne eigene versicherungsmathematisch übliche und notwendige Beiträge. Für viele Arbeitnehmer, erst recht für die von Heil begünstigte Gruppe – die bisher noch für das Alter spart – ergeben sich nun geringere Arbeits-, Weiterbildungs- und Sparanreize. Ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Sparquote um beispielweise ein Prozent (von 20 auf 19,8 Prozent) vermindert das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent, entsprechend sinkt auch das Pro-Kopf-Einkommen aller 83 Millionen Einwohner. Das bedeutet einen Rückgang des Realeinkommens um zirka 17 Milliarden Euro und analog eine Verminderung der Steuer- und Sozialeinnahmen um sieben Milliarden Euro. Für den Staat liegen somit die echten Budgetkosten schon eher bei 13 Milliarden Euro, nicht etwa bei Heils genannter Größenordnung. Das ist hier auf Basis eines kombinierten Steuer- und Sozialabgabensatzes von 40 Prozent in Deutschland berechnet. 

2. Steuern steigen, Realeinkommen und Produktivität stagnieren

Zur Finanzierung von Heils Grundrente muss der durchschnittliche Steuersatz angehoben werden. Auch die entsprechende Anhebung des Einkommenssteuersatzes vermindert das langfristige Pro-Kopf-Einkommen; wieder sinken die Sparquote sowie das langfristige Realeinkommen. Die Ersparnis ist ja proportional zum verfügbaren Einkommen; und weniger Ersparnis bedeutet makroökonomisch weniger Kapitalbildung und daher auch verminderte Produktivitätszuwächse. Also steigen die Kosten der Grundrente noch weiter

Selbst wenn die Einführung von Heils Grundrente die Sparquote nur um 0,5 Prozentpunkte vermindert – aber in der alternden Gesellschaft steigt ab 2025 die Zahl der Begünstigten der Heil-Regelung rasch –, sind hohe langfristige volkswirtschaftliche Kosten der Grundrente zu bedenken. Diese sind ehrlicherweise gegenüber der Wählerschaft auch zu benennen. Gerade in einer professionellen Sozialpolitik ist es wichtig, die langfristigen Wirkungen mit im Blick zu haben.

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Heils Grundrente wird am Ende einigen Rentnern nützen, der Mehrzahl der Arbeitnehmer und Beitragszahler jedoch deutlich schaden und die Soziale Marktwirtschaft beschädigen. Es ist unverständlich, dass aus dem Sozialministerium derart undurchdachte Vorschläge kommen – mit angegebenen Kosten, die nicht einmal die Hälfte der tatsächlichen ökonomischen Kosten beziffern. So wenig ökonomische Rationalität kann und sollte sich die alternde Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht leisten.

Die Sozialpolitik ist der größte Ausgabenblock im ganzen Bundeshaushalt. Da hätte man erwarten müssen, dass Minister Heil nicht einfach nur die budgetären Kosten von sechs Milliarden Euro benennt, sondern wenigstens einige Überlegungen zu den volkswirtschaftlichen Kosten vorträgt. Dass er das nicht tat, offenbart einen unverantwortlichen Kompetenzmangel an der Spitze des Arbeits- und Sozialministeriums.

Wer naive Rentenreformen macht, spielt am Ende den Populisten in die Hände. Wer nur gesinnungsethisch Wohlfühlpolitik machen will und die Gesamtkosten nicht benennt, versteht nicht, wie die Entscheidungsalternativen der Politik in Wahrheit aussehen, wird seiner Verantwortung nicht gerecht und verspielt wichtiges Vertrauen.

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