Regierung beschließt Maßnahmen „Aufräumen“ in der Fleischbranche

Mit scharfen Worten hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt, er wolle „aufräumen“ in der Fleischbranche. Quelle: dpa

Nachdem sich Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben häuften, kündigte Hubertus Heil an, er wolle „durchgreifen“ in der Fleischbranche. Nun werden bald Werkverträge verboten und Arbeitszeitverstöße strenger geahndet.

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Nach der Häufung von Corona-Fällen in verschiedenen Fleischbetrieben hat die Bundesregierung die Regeln für die Fleischindustrie verschärfen. Es sei Zeit, „in diesem Bereich aufzuräumen und durchzugreifen“, hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gesagt. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch nun Eckpunkte eines „Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft“ beschlossen.

Geplant sind demnach verschiedene gesetzliche Regelungen, wie ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie ab dem kommendem Jahr und höhere Bußgelder bei Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften.

Das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft soll demzufolge ab 1. Januar 2021 nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. „Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich“, heißt es. Bei einem Werkvertrag vergeben Unternehmen bestimmte Aufträge und Tätigkeiten an andere Firmen, die sich um die komplette Ausführung kümmern. Dies soll künftig nicht mehr möglich sein. Gewerkschaften befürworten ein Verbot, die Fleischwirtschaft reagiert mit scharfer Kritik.

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Ausnahmen soll es für Betriebe des Fleischerhandwerks geben. Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz sind zudem künftig Bußgelder von bis zu 30.000 Euro vorgesehen, statt wie bisher maximal 15.000 Euro. Arbeitszeiten müssen künftig digital erfasst werden, und Fleischbetriebe sollen häufiger kontrolliert werden.

Nach einer Häufung von Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben stehen die Arbeitsbedingungen mit Subunternehmern und Sammelunterkünften mit vielen osteuropäischen Beschäftigten stark in der Kritik. In mehreren fleischverarbeitenden Betrieben etwa in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein hatte es in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Corona-Fällen gegeben.

Vermutet wird, dass die Infektionen begünstigt werden durch enge Sammelunterkünfte und eine fehlende Einhaltung von Hygieneregeln. Arbeitsbedingungen und Unterbringung der Mitarbeiter, von denen viele aus Osteuropa stammen, stehen schon länger in der Kritik. „Niemand wird mehr ernsthaft bestreiten können, dass das Infektionsgeschehen und die Unterbringung der Menschen in Zusammenhang stehen“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Katja Mast.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner unterstützt das schärfere Vorgehen gegen Missstände in der Fleischwirtschaft. „Die Delegation von Verantwortung an Subunternehmen geht zulasten vieler Arbeiter. Hier gibt es ganz offensichtlichen Anpassungsbedarf“, sagte die CDU-Politikerin mit Blick auf den Kabinettsbeschluss. Klöckner hob hervor, dass Ausnahmen für Betriebe des Fleischerhandwerks möglich sein sollen. Bei Arbeitsminister Heil liege es nun, ein Gesetz vorzulegen, das bestehende Missstände abstelle und rechtssicher sei.

„Ich will keine soziale Spaltung über das Schnitzel“

In der Diskussion über das Thema ist immer wieder auch der Preis ein großes Thema. Billigangebote bei Fleisch sorgen bei Bauern wie Tierschützern für Ärger. Auch Arbeitskosten spielen da eine Rolle. „Gekoppelt an höhere Tierschutzstandards und eine verbindliche Haltungs- und Herkunftskennzeichnung kann auch eine Tierschutzabgabe dazu beitragen, den Umbau zu artgerechter Tierhaltung zu finanzieren“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der dpa. Der Bauernverband mahnt allerdings auch, die Fleischerzeugung dürfe nicht ins Ausland verlagert werden. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem „Tagesspiegel“, Ziel müsse eine gemeinwohlorientierte Agrarpolitik sein, in der Fleisch ein „edles, aber kein Luxusprodukt“ sei. „Ich will keine soziale Spaltung über das Schnitzel“, sagte Bartsch.

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Der Tonfall in der Diskussion war in den vergangenen Tage immer rauer geworden. Arbeitsminister Heil sei von Gewerkschaftern aufgehetzt und stigmatisiere ohne fachliche und sachliche Kenntnis eine einzelne Branche sagte Heike Harstick, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auf Werkverträge könne nicht verzichtet werden. „Denn für viele manuelle Arbeiten wie in der Fleischwirtschaft findet man keine Arbeitskräfte mehr auf dem deutschen Markt.“ Harstick rechnet damit mit, dass durch ein Verbot „große Teile der Fleischproduktion ins Ausland abwandern“ werden. Die aufgetretenen Corona-Fälle in Betrieben der Fleischwirtschaft seien Einzelfälle.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach dagegen von „organisierter Verantwortungslosigkeit in der Fleischindustrie“. „Die Werkverträge sind die Wurzel dieses Übels und gehören abgeschafft“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie seien seit Jahren eine Katastrophe. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte ein Verbot von Werkverträgen verlangt. Dem ist die Bundesregierung nun nachgekommen.

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