Regierungspläne zum Heizungstausch Kakophonie bei der wichtigsten Klima-Vorgabe

Der Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Ministerin für Wohnungswesen, Städtebau und Bauwesen, Klara Geywitz, stellen auf einer Pressekonferenz die geplante Reform des Gesetzes über die Heizung von Wohnungen vor. Quelle: REUTERS

Mit Verboten, Förderung und dem steigenden CO2-Preis soll der Heizungstausch in Deutschland gelingen. Doch wie viel Geld dafür da ist, bleibt offen. Die FDP bremst vom Beifahrersitz aus. Eine Analyse.

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„Wir sollten uns nicht einreden, dass durch Bestaunen eines Problems irgendetwas besser wird.“ Diesen Satz münzt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an diesem Mittwoch beim gemeinsamen Auftritt in Berlin nicht auf seine Nebensitzerin, Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Der Vizekanzler und Federführende für die Pläne zum Heizungstausch ab 2024 meint, mal wieder, die dritte Partnerin in der Ampel-Koalition.

Die FDP und ihre Leute im Ampel-Kabinett sind nicht dabei, haben aber vor der Vorstellung des eben verabschiedeten Kabinettentwurfs schon mal, quasi als innere Opposition, eine FDP-Minister-Protokollnotiz bekanntwerden lassen.

Es heißt bei den Liberalen sinngemäß, trotz monatelanger Hakelei und 30 Stunden Einigungsmarathon im Koalitionsausschuss könne das Gesetz der anderen Minister so nicht in Kraft treten. Es gebe große Unruhe in der Bevölkerung, wenn die gut zwei Drittel aller Heizungen in Deutschland, die noch mit Gas oder Öl befeuert würden, ab kommendem Jahr nur noch mit mehrheitlich erneuerbaren Heizungsanlagen ersetzt werden könnten. Womöglich wollen die Dritten im Bunde den Start nach hinten verschieben und die Pläne insgesamt verändern.

Wärmepumpen setzen sich zunehmend auch im Altbau durch. Möglich wird das durch die technische Weiterentwicklung der jahrzehntealten Idee.
von Stefan Hajek

Die echte Opposition, die Union im Bundestag, breitete derweil die Unklarheiten und aus ihrer Sicht Zumutungen des Gesetzentwurfes aus. Die Menschen dürften bei so großen und langfristigen Investitionen wie in eine neue Heizung nicht überlastet werden. Nun stelle die Regierung eine Förderung vor, die noch nicht einmal beziffert sei, kritisierte Fraktionsvize Jens Spahn (CDU). Die SPD verspreche großzügige, sozial ausgerichtete Förderung, FDP-Chef und Finanzminister Lindner betone, dass die Finanzen arg begrenzt seien und nicht alle gewünschten Technologien angemessen berücksichtigt würden.

Es ist großer Mist, was da bei vielen Betroffenen hängen bleibt: Die Regierung will mir die alte Art des Heizens verbieten, stellt aber unübersichtliche und teure Forderungen mit langfristigen Folgen für mich auf.  Da wird die Regierung viele Milliarden Euro aus dem Nebenhaushalt Klima- und Transformationsfonds (KTF) aufbringen können und der Eindruck wird trotzdem bleiben, dass alle sich schlecht behandelt fühlen.

Was gut ist: Deutschland ist wirklich wieder mal Nachzügler in Sachen Klimaschutz, obwohl wir doch immer denken, so konsequent und rechtschaffen unterwegs zu sein. Rings um uns, auch im winterkalten Skandinavien wurden seit Jahren in großem Stil Wärmepumpen eingebaut. Weil eine Heizung zwanzig bis dreißig Jahre halten soll, dauert das Umsteuern und sollte nicht verschleppt werden. Voriges Jahr haben die Deutschen aber noch 600.000 neue Gasheizungen eingebaut. 

Wir müssen schleunigst anfangen, schließlich stellt keiner der hier genannten Kritiker das Klimaschutzgesetz in Frage. Es ist auch sinnvoll, eine Mischung aus Verboten, also Ordnungsrecht, und finanziellen Anreizen zu koppeln. Es stimmt ja, was Klara Geywitz sagte: Wer kann schon überblicken, wie teuer der Handel mit CO2-Zertifikaten, der europaweit ab 2027 starten soll, die fossilen Kessel macht. Sehr teuer wohl. Es geht aber auch darum, die schlimmsten Klimaschleudern zuerst auszumustern und eben denen Möglichkeiten zu schaffen, die sonst vor teuren Wärmepumpen zurückschrecken und schlimmstenfalls verkaufen müssen.

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Konkret sind eine Grundförderung und drei so genannte Klimaboni vorgesehen: Von der Basisförderung profitieren alle im selbst genutzten Wohneigentum, wenn sie eine alte, fossile Heizung gegen eine neue, zu mindestens zwei Dritteln erneuerbar betriebene austauschen. Der Fördersatz soll einheitlich bei 30 Prozent liegen.



Zusätzlich soll es unter bestimmten Bedingungen Zuschläge geben: Den „Klimabonus I“ mit zusätzlich 20 Prozent soll es für Eigentümerinnen und Eigentümer geben, die einkommensabhängige Sozialleistungen bekommen, auch für Menschen, die nicht tauschen oder ersetzen müssten, es aber tun. Es geht um Kessel, die älter als 30 Jahre sind und deren Besitzerinnen und Besitzer ihre Immobilie bereits vor 2002 bewohnten oder Senioren, die älter als 80 Jahre sind.

Mit dem „Klimabonus II“ von zehn Prozent zusätzlich zur Grundförderung soll ein Anreiz entstehen Kessel mindestens fünf Jahre der gesetzlichen Austauschpflicht zu wechseln. Der „Klimabonus III“ gilt für Havarien, wenn etwa Heizungen, die jünger als 30 Jahre sind, nicht mehr reparierbar sind. Die drei „Klimaboni“ können nicht kombiniert werden. Zusätzlich werden Effizienzmaßnahmen, wie etwa zur Gebäudedämmung, Fenstertausch oder Anlagentechnik wie bisher gefördert.

Bei all dem konnten Habeck und Geywitz noch keine Summen nennen, die im Bund bereitgestellt werden. Auch bei Obergrenzen für einzelne Maßnahmen bleiben bisher Fragezeichen. Der Wirtschaftsminister sagte nur allgemein: „Es gibt schon eine Förderung und die wird nicht geringer werden.“ Allerdings sollen wesentlich mehr Menschen nach dem Willen der Ampel ihre alte Heizung klimatauglich erneuern. Habeck fügte auch – erneut in Richtung Finanzminister – hinzu: „Der Steuertopf ist hart umkämpft.“

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So kommt dieses Vorhaben erneut als Hü-Hott-Reform der Ampel daher, die über ganz grundsätzliche Ziele hinaus keine gemeinsame Linie zu finden scheint. In jede Entscheidung werden widersprüchliche oder unklare Kompromisse eingearbeitet, die den Menschen nicht helfen und die Regierung schlecht dastehen lassen. So geht Klimaschutz schlecht, so schafft man Verdruss gegenüber Neuem und Notwendigem.

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